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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Untersuchungsergebnissen zog das Gericht die »unbefriedigende« Konsequenz: »Für seine Überführung als Täter reichen die vorgelegten Untersuchungsergebnisse nicht aus.« Mit dem Urteil wurde Roland Schnorrenberger auch eine Entschädigung für die achtzehnmonatige Untersuchungshaft zugesprochen.
    Dennoch ließ das Schwurgericht keinen Zweifel daran aufkommen, dass ein Mann hatte freigesprochen werden müssen, gegen den nach wie vor »starke Verdachtsmomente« vorlagen. So schloss der Vorsitzende seine Ausführungen vielsagend: »Ob dieses Urteil gerecht ist, kann nur ein einziger beurteilen: der Angeklagte.« Hier irrte der Richter allerdings – ein Waschraumwärter aus Duisburg konnte das auch.
    Ein Freispruch 2. Klasse also, der kaum jemanden zufrieden stellte, und all jene schon gar nicht, die es »immer schon« gewusst hatten. »Mangels Beweises« bedeutete für die Fraktion der Ignoranten und Besserwisser: «Er war’s, die konnten es ihm nur nicht beweisen.« Schnorrenberger durfte zwar seine Zelle verlassen, wurde aber postwendend von kollektiven Schuldzuweisungen eingefangen. Die Volksseele kochte. Ein Mörder musste her, und Schnorrenberger sollte herhalten. Irgendwie musste die »ungeheuerliche Schandtat« doch aus der Welt zu schaffen sein. Für viele war und blieb die Familie Schnorrenberger eine »Mörderbrut«.
    Nach nur drei Monaten hatte der vermeintliche »Kindermörder« die ständigen Beschimpfungen, Drohungen und Anfeindungen satt. Roland Schnorrenberger wanderte nach Holland aus. Aber seiner Familie blieb dadurch kaum etwas erspart. Solange für den Mord an Julia Römkens niemand hinter Schloss und Riegel zu bringen war, würde man sich der »Mörderbande« gerne erinnern.

35
                        
                       Er hatte Bianca nicht getötet – obwohl er es sich fest vorgenommen hatte. Skrupel seinen Freunden gegenüber waren allerdings nicht ausschlaggebend gewesen. Es war ihm gleichgültig, was das Mädchen und ihre Eltern hätten durchmachen müssen. Vielmehr war er von seinem Plan zurückgetreten, weil er die Erklärung für Biancas Verschwinden doch nicht für wasserdicht gehalten hatte. Er nahm an, dass man ihn verdächtigen würde, auch wenn er behauptete, Bianca sei zum nächsten Kiosk gegangen, um ein Eis zu kaufen, und nicht zurückgekehrt. Zudem befürchtete er, nicht alle Spuren restlos beseitigen zu können. Stattdessen hatte er sich auf der Toilette eingeschlossen, onaniert und sich vorgestellt, das Mädchen doch zu töten.
    Während sein verbrecherischer Habitus und die verschiedenen Spielarten seiner sexuellen Perversionen sich ungehindert entwickeln und verfestigen konnten, verkümmerte seine Persönlichkeit zusehends. Es mangelte ihm an Intelligenz und Bildung. Zwar hatte er sich im Laufe der Jahre zahlreiche Bücher gekauft: Simmel-Romane wie Der Stoff, aus dem die Träume sind , Mario Puzos Der Pate, Werke über Erotik in der Kunst oder Dostojewskis Die Dämonen. Allerdings waren die meisten Bücher ungelesen geblieben.
    Er war nicht dumm, aber primitiv. Seine Rechtschreibung war grob fehlerhaft, viele Worte verstand er einfach nicht. Begriffe wie »positiv« und »negativ« oder »Sensation« blieben für ihn böhmische Dörfer. Von den Grundrechnungsarten beherrschte er lediglich Addition und Subtraktion. Seine Denkabläufe waren langsam und behäbig, intellektuell war er weder anpassungsfähig noch flexibel.
    Nur gelegentlich konnte er sich dazu durchringen, die Initiative zu ergreifen, Dinge über einen längeren Zeitraum zu planen und konsequent umzusetzen. In aller Regel ließ er lieber alles auf sich zukommen, verharrte tatenlos, sah zu, unternahm nichts. Er war emotional schwunglos, affektiv flach, nicht reagibel, stumpf.
    Es gelang ihm kaum, zwischen seiner Person und der Sozialgemeinschaft eine Beziehung herzustellen. Politische oder gesellschaftliche Ereignisse und Zusammenhänge ignorierte er. Zurecht fand er sich lediglich in seiner von unzähligen Elektrogeräten, Fernsehern, Radios, Stereoanlagen und Mopeds dominierten leblosen Apparatewelt. Er verbrachte viel Zeit damit, auch für seine Mitbewohner im Arbeiterhotel Haushaltsgeräte zu reparieren oder seine Mopeds ohne zwingenden Grund auseinander zu bauen und wieder zusammenzuschrauben. Oder er flüchtete sich in die kleinkindhafte Objektwelt seiner Puppen.
    Am 16. September 1972 musste er sein Zimmer räumen, die Heimleitung hatte ihm fristlos

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