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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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anfangen sollte. Ihm fehlten der Mut und die richtigen Worte. Sie sprachen über Dinge, die ihm nichts sagten, die er nicht verstand, die ihn jetzt auch gar nicht interessierten. Nach dem zweiten Glas Bier fiel er ihr ins Wort: »Annalena, ich muss mit dir reden.«
    »Und worüber?«
    »Geht um Heinz, du weißt schon.« Er machte eine Pause, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen. Aber dann sagte er nichts mehr. Ihn hatte der Mut verlassen.
    »Was ist mit Heinz?« Annalena Mölders war neugierig geworden.
    Er nahm noch einen kräftigen Schluck, dann versuchte er ihr in einem Satz zu erklären, warum sie sich von ihrem Mann trennen sollte: »Der is’ doch bekloppt.«
    Annalena Mölders verstand nicht recht, worauf er hinauswollte: »Er ist krank, aber nicht bekloppt!«
    »Doch, der is’ bekloppt, das weißt’ doch. Der kommt auch nich’ mehr in Ordnung. Nimm doch mich für den.« Erwartungsvoll schaute er ihr in die Augen.
    »Bitte?«
    Annalena Mölders war schockiert, und er konnte es ihr ansehen. Aber er setzte nach: »Kannst dir die Sache ja mal überlegen.«
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst!«
    Entgeistert verließ er die Wohnung.
    Obwohl er abgeblitzt war, wollte er die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Schließlich hatte sie ihm keine Ohrfeige verpasst oder ihn als Versager beschimpft. Wahrscheinlich brauchte sie nur noch ein wenig Zeit, um Heinz zu erklären, dass sie sich von ihm scheiden lassen wolle – so seine Vermutung. Er war davon überzeugt, dass es diesmal nicht an ihm selbst lag, sondern dass nur die richtigen Argumente fehlten, um Annalena zu überzeugen. Nach reiflicher Überlegung startete er einen letzten Versuch.
    Er musste mit der Straßenbahn nach Marxloh fahren, mit seinem Moped konnte er das Präsent nicht transportieren. Diesmal würde es klappen, diesmal musste es gelingen. Das Geschenk konnte sie nicht ablehnen, es würde sie überzeugen, er würde sie für sich gewinnen. Die muss das doch kapieren!
    Dann öffnete sie ihm die Tür.
    »Der is’ für dich!« Er hielt ihr den Farbfernseher hin, der noch vor kurzem in seinem Wohnzimmer gestanden hatte.
    »Du spinnst doch!« Annalena Mölders schlug die Tür zu. Sie hatte endgültig genug.
    Wie ein begossener Pudel stand er da, mittlerweile schweißgebadet, den schweren Apparat in Händen. Wieder waren seine hochfliegenden Träume in einer Bruchlandung geendet. Völlig verzweifelt machte er sich auf den Heimweg. Die Erkenntnis war nicht neu für ihn, aber diesmal erschien sie unumstößlich, endgültig: Mit den Frauen klappt das einfach nich’!

36
                        
                       Die Operation an seinem »offenen« Bein hatte zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Die Schmerzen blieben nahezu unvermindert erhalten. »Das kann dauern«, hatten ihn die Ärzte im Krankenhaus vorgewarnt. Er konnte seine Wohnung zunächst nicht verlassen, weil der linke Unterschenkel angeschwollen war und ein Auftreten unmöglich machte. Die notwendigen Besorgungen erledigten für ihn die Hansens und seine Schwester Elisabeth.
    Neben den permanenten Schmerzen quälte ihn die ungewollte Unbeweglichkeit. Er sehnte sich danach, wieder losziehen und sich dort herumdrücken zu können, wo er kleine Mädchen beobachten und an einen sicheren Ort locken konnte. Aber das durfte er nur in seiner Phantasie.
    Wenn die Nachbarskinder auf dem Innenhof hinter dem Haus spielten und herumtollten, humpelte er auf den Dachboden und starrte aus dem Fenster. Um nicht entdeckt zu werden, spähte er links neben dem Fenster stehend auf den Hof hinunter, sodass nur die breite Stirn und seine Augen zu erkennen waren. Er beobachtete die kleinen Mädchen mit dem Kalkül und den Augen eines Jägers, der sich mit den Gewohnheiten seiner Opfer vertraut machen wollte. Das erregte ihn. Aber er blieb unbefriedigt.
    Unzufriedenheit quälte auch jene Kriminalisten, die verzweifelt versucht hatten, seine Schandtaten aufzuklären, und ihm doch nicht auf die Schliche gekommen waren. Die Kripo in Nordrhein-Westfalen hatte in den vergangenen 19 Jahren viele Kröten schlucken müssen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, dass sie nur nach einem Mann suchen musste. In lediglich einem von 11 Fällen war es den Kriminalisten gelungen, eine Verurteilung zu erreichen – aber man hatte den Falschen hinter Gitter gebracht.
    Landesweit existierte im Sommer 1974 keine Mordkommission mehr, die sich mit einem seiner

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