Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
sonst losgeworden?
Antwort: Dann hätte ich mir wieder einen gewichst.
Frage: Hast du dir denn unterwegs schon mal einen gewichst?
Antwort: Wenn ich nichts gefunden habe. Meistens auf der Toilette an einem Bahnhof.
Frage: Warum bist du denn immer in andere Orte gefahren?
Antwort: Wenn ich alles in Duisburg gemacht hätte, dann hättet ihr mich doch gleich gekriegt.
Frage: Weißt du noch, wie du die Frauen und Mädchen umgebracht hast?
Antwort: Mit einem Messer, mit der Hand, mit einem Tuch.
Frage: Warum hast du das so unterschiedlich gemacht?
Antwort: Damit man denkt, das sind alles verschiedene, die das machen. Ich wollte nicht auffallen.
Frage: Wenn du eine kaputtgemacht hast, hast du dann auch aufgepaßt, daß keine Leute vorbeikamen?
Antwort: Ja.
Frage: Was hättest du dann getan?
Antwort: Dann wäre ich abgehauen.«
Kroll benötigte nach jeder Vernehmung 30 bis 40 Minuten, um seine Geständnisse zu lesen. Zeile für Zeile, Wort für Wort. Mit einem gewissen Vergnügen korrigierte er Fehler oder Versäumnisse, beispielsweise wenn der Protokollführer bei den Aufführungen der Anwesenden den Namen des Staatsanwalts vergessen hatte. Erst, wenn die Vernehmungsniederschrift korrigiert worden war, kritzelte er seinen Namen auf das Papier.
Seit dem 14. Juli stand er der Kripo nicht mehr allein gegenüber, ihm war durch das Amtsgericht Duisburg ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt worden. Die erste Begegnung dauerte nicht länger als eine halbe Stunde. Anschließend hatte Dietrich Lazarz, 53, der neugierig gewordenen Presse in die Notizblöcke diktiert, warum er das pikante Mandat übernommen hatte: »Ich stehe da auf dem gleichen Standpunkt wie ein Arzt, der sich auch nicht nur gute Krankheiten aussuchen kann, sondern kraft seines Eides verpflichtet ist, zu helfen.«
Friedhelm Kontermann und seine Kollegen sahen dem Wirken des Anwalts mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie mussten befürchten, dass Lazar seinem Mandanten dazu raten würde, fortan zu schweigen, um nicht noch größeres juristisches Unheil anzurichten. Oder würde er Kroll dazu animieren, auch weiterhin zu gestehen, um hierdurch Pluspunkte für die spätere Gerichtsverhandlung zu sammeln? Auch in diesem Fall galt: Ein rückhaltloses, aus freien Stücken abgelegtes Geständnis müsste durch das Gericht bei der Strafzumessung wohlwollend berücksichtigt werden. In den nächsten Tagen würde sich erweisen, für welche Strategie man sich entschieden hatte.
Die schwer zu über- und zu durchschauende Anzahl von unaufgeklärten Sexualmorden und die wachsende Zahl von durchzuführenden Rekonstruktionen machte eine modifizierte Verfahrensweise erforderlich. Kontermann verfügte schließlich, nachdem er sich mit dem Staatsanwalt und dem Leiter der Duisburger Kripo geeinigt hatte, eine »Dreiteilung«. Es wurden drei »Teams« gebildet. Ihre Aufgaben: »vorchecken«, »rekonstruieren/vernehmen«, »nachermitteln«.
Die neuen Richtlinien sahen vor:
»Aufgaben Vorcheckteam:
Diese Beamten suchen aus vorhandenen Unterlagen Fälle im Lande NRW heraus, für die Kroll infrage kommen kann. Dann fahren die Beamten zu den zuständigen Polizeibehörden oder Staatsanwaltschaften und ziehen die Akten, falls sie noch nicht übersandt worden sind. Außerdem lässt sich das Vorcheckteam von einem Beamten den Fundort und mögliche Veränderungen des Fundortes zeigen. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden nicht dem Rekonstruktions- und Vernehmungsteam mitgeteilt. Lediglich die Stadt oder Ortschaft wird bekanntgegeben.
Aufgaben Rekonstruktions- und Vernehmungsteam:
Die Beamten treffen auf das Vorcheckteam und fahren mit Kroll in die Nähe des Fundortes. Dort haben sie Kroll aussteigen, sich orientieren und in die Richtung gehen zu lassen, die er von sich aus einschlägt. Über die Angaben von Kroll werden Notizen gefertigt. Kann er sich dort an eine Straftat erinnern, wird nach seinen Angaben sofort eine Rekonstruktion durchgeführt. Das Opfer darf nun nicht mehr von einer Frau dargestellt werden, weil Kroll ausgesagt hat, dass er dabei wieder das ›komische Kribbeln‹ bekommt. Nach der Rückkehr vom Fundort wird er ohne Vorhalte, die ja dem Vernehmungsteam nicht bekannt sind, zur Sache vernommen. Die notwendige Nachvernehmung wird erst durchgeführt, wenn keine Fundorte mit Kroll mehr aufgesucht werden. Das hat auch das Nachermittlungsteam zu befolgen.
Aufgaben
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