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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Nachermittlungsteam:
    Kritische Überprüfungen von Krolls Aussagen mit dem objektiven und subjektiven Tatbefund. Anklagereife Erstellung der einzelnen Fälle. Dazu gehört auch die Durchführung der Nachvernehmungen.«
    Um eruieren zu können, ob Kroll bei seinen Geständnissen möglicherweise aus älteren Zeitungsberichten zitierte und die Ermittler so in die Irre führte, wurde er beiläufig auch zu seinen Lesegewohnheiten befragt:
                       »(…)
    Frage:      Was für Zeitungen liest du?
    Antwort: In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal eine Zeitung nach Hause bestellt.
    Frage:      Welche?
    Antwort: Die NRZ.
    Frage:      Hast du die Zeitung denn auch gelesen?
    Antwort: Nur die dicken Überschriften und die kleineren, die darunter standen. Und die Bilder habe ich geguckt.
    Frage:      Hast du das andere nicht gelesen?
    Antwort: Nein. Dazu habe ich keine Lust und keine Ruhe für gehabt. Das ganz klein Gedruckte ist mir vor den Augen immer verschwommen.
    Frage:      Hast du denn vorher schon mal Zeitung gelesen?
    Antwort: Nee, nie.
    Frage:      Hast du denn auch schon mal Illustrierte gekauft?
    Antwort: Ja.
    Frage:      Welche?
    Antwort: St. Pauli-Sex-Zeitungen, Fernsehzeitung und ›Funk und Bild‹.
    Frage:      Sonst noch welche?
    Antwort: Nee.«
    Mehr als 1300 Überstunden hatten die 12 wackeren Ermittler binnen drei Wochen angehäuft. Sieben vollbrachte Morde und einen Mordversuch hatte die Kommission Kroll mittlerweile nachweisen können. Stets waren die Beamten dabei nahezu ausschließlich von seiner Tagesform, seinem Erinnerungsvermögen und seiner Aussagewilligkeit abhängig gewesen. Während die Presse heftig darüber spekulierte, wie viele Opfer es letztlich werden würden, wollte keiner der Beamten eine Prognose wagen. Aber niemand zweifelte ernsthaft daran, dass es weitere Opfer gegeben haben musste.

45
                        
                       Konrad Meckler stieß beim Durchblättern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung auf einen Artikel, für den er sich sofort interessierte: »Kripoleute tuen alles, um ‚Achim‘ bei Laune zu halten – Duisburger Kroll nannte weitere Einzelheiten zu den Morden.« Er war Anfang des Monats in Urlaub gefahren und hatte von den Ereignissen in Duisburg nichts mitbekommen.
    Der 39-Jährige las weiter: »Über die sieben von Kroll gestandenen Morde an sechs Mädchen im Alter von vier bis 16 Jahren und dem 25jährigen Praktikanten Roman Berthold hinaus hat der 43jährige Waschraumwärter bisher keine Andeutungen über weitere Kapitalverbrechen gemacht.« Im nächsten Absatz hieß es dann: »Kripo und Staatsanwaltschaft gehen jedoch davon aus, daß Kroll mehr als diese sieben Menschen auf dem Gewissen hat. Der Leiter der Duisburger Mordkommission, Hauptkommissar Friedhelm Kontermann, weist darauf hin, daß im Zusammenhang mit dem Fall Kroll nicht nur eine Vielzahl unaufgeklärter Morde, sondern auch zahlreiche Vermißtenfälle zu überprüfen sind.«
    Es begann in ihm zu arbeiten. Mädchen im Alter von 16 Jahren. Mehr als sieben Menschen auf dem Gewissen. Noch keine Andeutungen zu weiteren Verbrechen. Sofort widmete er sich intensiv dem Stapel Zeitungen der vergangenen Wochen, die eine Nachbarin für ihn aufbewahrt hatte. Es kam ihm so vor, als würde er die Lotto-Gewinnzahlen des Wochenendes prüfen. Und das Ergebnis war dementsprechend: wieder kein Volltreffer. Enttäuscht stellte Meckler fest, dass dieser Mann bisher keinen Mord in Essen zugegeben hatte.
    Er nahm sich die Zeitungen ein zweites Mal vor, weil er zunächst nur die Schlagzeilen und die fett gedruckten Untertitelungen studiert hatte. Schließlich las er von einem Mord, bei dem das Opfer mit einem Tchibo-Taschentuch erdrosselt worden war. Verdammt! Das gibt’s doch nicht! durchfuhr es ihn. Genauso wie damals! Die 16-Jährige, die er am 26. Juli 1959 im Essener Stadtwald getötet haben sollte, war auch mit einem solchen Tuch ermordet worden.
    Er hatte sich vor 14 Jahren dieser Tat selbst bezichtigt, um endlich zur Ruhe zu kommen – in einer Gefängniszelle. Erst die Anklageschrift hatte ihn zur Vernunft gebracht, aber da war es zu spät gewesen. Er hatte sein eigenes Lügennetz so fein gesponnen, dass er es nicht mehr hatte entwirren können, und war kläglich hängen geblieben. Sechs Jahre Zuchthaus waren die Quittung für seine »Notlügen« gewesen, von denen er fünf hatte abbrummen

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