Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Erklärung zurechtgelegt. Er war sehr zuversichtlich.
Am 2. November 1976 war es endlich so weit. Im Rheinischen Landeskrankenhaus in Düsseldorf saß er Dr. Erich Roth gegenüber, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Leiter der Klinik. Kroll sollte »exploriert«, also psychologisch-psychiatrisch untersucht werden. Doch daraus wurde nichts. Denn Kroll hatte gar nicht gemordet. Das behauptete er jedenfalls. Mehr als zwei Stunden lang.
Seine Erklärung im Fall Tanja Bracht: »Ich habe mit allem nichts zu tun. Die Tanja Bracht habe ich nicht ermordet. Ich war unten im Keller. Da war sie bei mir drin mit ihrem Bruder, suchte einen Zehnerschraubenschlüssel. Sie ging mit ihm wieder weg. Ich holte einen Tank mit Öl und Sprit fürs Mofa und ging wieder auf den Hof. Tanja sprang dann noch im Kellereingang rum. Ich kümmerte mich nicht weiter um sie und füllte meinen Mofatank. Da war sie auf einmal weg. Ich zog noch eine Schraube am Mofa an, ging wieder in den Keller und brachte Schraubenschlüssel und Tank wieder zurück. Ich räumte dann noch andere Schraubenschlüssel auf.
Das dauerte etwa eine Dreiviertelstunde. Dann ging ich hoch zu meiner Wohnung. Da lag die Tanja vor meiner Tür. Ich nahm sie auf und legte sie auf mein Bett. Ich schaute dann nach, als sie auf dem Bett lag, was mit ihr los war. Ich fühlte den Puls und probierte, sie wachzukriegen. Ich machte Mund-zu-Mund-Beatmung und habe ihr den Brustkorb gedrückt. Ich sah am Hals Druckstellen. Der Kopf war so rot. Ich dachte mir, einer wollte mir was auswischen, und glaubte fest, sie sei tot.
Dann ging ich aus dem Schlafzimmer, setzte mich in einen Sessel und dachte nach, was ich tun sollte. Ich wußte nicht, ob ich die Polizei anrufen sollte oder nicht. Dann habe ich mir überlegt: Irgendwie muß sie verschwinden. Später habe ich sie in der Küche auf dem Tisch mit einem Zackenbrotmesser auseinandergeschnitten. (…)«
Anschließend schilderte Kroll in allen entsetzlichen Einzelheiten, wie er dabei vorgegangen war. Und warum er das Kind zerstückelt hatte, begründete er ebenfalls: »Ich habe sie aus Nervosität zerschnitten.« Gleiches sollte für die Leichenteile im Suppentopf gelten, die er wiederum »aus Nervosität da reingelegt« und später auch »nichts davon gegessen« haben wollte.
Kroll musste sich naturgemäß kritisches Nachfragen gefallen lassen. Doch auch jetzt wollte er von seiner Version der Dinge nicht abrücken. Die hanebüchenen Behauptungen und Erklärungen waren ein eindrucksvoller Beleg für seine deprimierende intellektuelle Potenz, seine infantile Vorstellungswelt: »Ich wollte es gar nicht kochen«, gab er schüchtern zu Protokoll, »ich habe den Herd aus Nervosität eingeschaltet. Als ich merkte, es kochte, schaltete ich aus.« »Die Haut ging von der Hitze des Wassers ab. Ich trennte keine Haut ab.« Oder: »Sicher war mir das zuwider, aber was sollte ich machen? Es kam so über mich. Ich habe früher beim Bauern beim Schweineschlachten ausgeholfen. Daher hatte ich gute Kenntnis im Zerteilen eines Körpers.«
Drei Monate später stand der nächste Untersuchungstermin an, diesmal im Institut für Gerichtliche Psychologie und Psychiatrie in Homburg/Saar. Bei einem derart komplexen Fall erschien es der Staatsanwaltschaft ratsam, mehrere Expertenmeinungen einzuholen.
Kroll blieb sich treu. Auch Professor Hermann Witter gegenüber schwadronierte er darüber, dass ihm die Morde »angehängt« worden seien. Die Kripo habe ihn überdies »so fertiggemacht«, dass er bei jeder Vernehmung immer nur mit »kann sein« geantwortet habe. Zudem beschwerte er sich über das schlechte Benehmen und die rüden Methoden der Kripobeamten: »Die haben mit mir immer nur geschimpft und mich angebrüllt. Der Kontermann hat gesagt, wenn ich nicht gestehe, würde er mich durch die Wand schmeißen. Die haben mir dann mit dem Lügendetektor gedroht. Die würden mich an das Ding anschließen und mir Stromstöße verpassen. Da habe ich aus Angst alles gesagt, was die hören wollten.«
Vermutlich stand Kroll bei seinen Aussagen noch ganz unter dem Eindruck der Ereignisse, die sich beim Transport nach Homburg zugetragen hatten. Der Leiter der Justizvollzuganstalt Zweibrücken erklärte der neugierig gewordenen Presse dazu: »Kroll kam hier an wie ein verschüchtertes Mäuschen. Er wagte sich vor lauter Angst nicht aus seiner Zelle. Er verkroch sich und nahm an keiner Gemeinschaftsveranstaltung teil. Zu seinem eigenen Schutz mussten wir ihn
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