Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
er sie in den Würgegriff genommen hatte; wie sie die Böschung heruntergestolpert waren; wie er sich gleich auf sie geworfen hatte; wie er mit ihr geschmust und sie geküsst hatte; wie er ihren Körper befummelt hatte; wie sie plötzlich wieder voll zu Bewusstsein gekommen war; wie er sie mit beiden Händen gewürgt hatte; wie sie gestorben war.
Aber körperliche und seelische Entspannung konnte er sich nur dann verschaffen, wenn er das Erlebte in seiner Phantasie manipulierte. Es war nur ein winziges Detail, das er veränderte, aber genau danach verlangte, gierte er. In seinen Tagträumen drang er in den toten Körper der Frau ein – und kam dort zum Höhepunkt. Diese Vorstellung befriedigte und quälte ihn mehr als alles andere. Denn der Genuss war nicht von Dauer; er konnte dieses unbeschreibliche Gefühl nicht konservieren, nach ein paar Minuten Ekstase war alles vorbei. Es war eine flüchtige Begegnung mit etwas, dass er sich nur vage vorstellen, dass er nicht festhalten konnte. Und weil er wieder versagt hatte, war er über die Frau hergefallen und hatte sie unerbittlich zu Tode gewürgt.
Erneut hatte er eine Gelegenheit vertan. Aber es würden sich andere ergeben. Er war überzeugt davon, es irgendwann vollbringen zu können. Und dann begann er wieder zu suchen.
15
Am 29. Juli 1959 meldete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung im Essener Lokalteil: »Noch keine Spur von Michaela. Große Suchaktion blieb ohne Erfolg – Wer sah das Mädchen?« Weiter hieß es: »Die 16jährige Michaela Kurth, die seit dem 26. Juli verschwunden ist, wurde trotz intensiver Fahndung immer noch nicht gefunden. Beamte der Kriminalpolizei und der Schutzpolizei, die auch mit Suchhunden ausgerüstet waren, hatten mit einer Großsuchaktion keinen Erfolg. Es erscheint jetzt auch zweifelhaft, ob Michaela sich noch in Essen aufhält. Auf Grund der Meldungen in den Essener Zeitungen gingen der Polizei zwar mehrere Hinweise zu. Sie führten aber ebenfalls zu keinem Erfolg. Zwei Zeugen gaben an, daß sie Michaela am 28. Juli in der Nähe des Hauptbahnhofs und am 29. Juli im Naturschutzgebiet in Altenessen gesehen hätten. Die Polizei konnte aber noch nicht feststellen, ob Michaela wirklich dort gesehen worden ist, oder ob eine Verwechslung vorliegt.
Die Kriminalpolizei bittet die Bevölkerung, bei der Suche nach Michaela Kurth mitzuhelfen. Jede Polizeidienststelle nimmt Hinweise entgegen. Das Mädchen wird wie folgt beschrieben: etwa 1,65 Meter groß, brünettes Haar mit Dauerwellen, grüngraue Augen. Es ist 16 Jahre alt, wirkt aber etwa zwei Jahre älter. Michaela trug zuletzt einen rot-weiß gestreiften Pullover mit langen Ärmeln, blaue Nietenhosen (Blue Jeans), weiße Unterwäsche, weiße Sandalen und hatte einen grünen Bastkorb bei sich.“
Michaela war von einem Besuch des Strandbades am Essener Baldeneysee nicht zurückgekehrt. Von ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder hatte sie sich gegen 18.15 Uhr verabschiedet, ihr letztes Lebenszeichen. Die Essener Kripo vermutete einen »kriminellen Hintergrund«, zumal Michaela nach Auskunft ihrer Eltern »sich nie und nimmer mit einem Fremden eingelassen hätte« und in dieser Beziehung als »äußerst reserviert und zurückhaltend« galt – ein aufgeweckter Teenager ohne Auffälligkeiten. Die Suche wurde auch in den folgenden Tagen fortgesetzt, blieb aber erfolglos. Von Michaela keine Spur.
16
Manfred Teufel kannte den Stadtwald in Essen: dichter Baumbestand, vielfach durch reichlich Kuschelgebüsch unterbrochen, das weitläufige Waldgelände durchzogen mit parkähnlichen Wegen, auf den freien Flächen wucherte Farnkraut. Er fotografierte die Stelle, an der es passiert war.
Er ging ein paar Schritte, und wieder drückte er auf den Auslöser seiner Kamera. Das, was er hier finden sollte, war kaum zu erkennen. Es lag unter ausgerissenem Farnkraut, das bereits vertrocknet war und eine bräunliche Farbe angenommen hatte. Vorsichtig schob er es beiseite. Ein kurzer Blick genügte. Sein erster Gedanke: Was für eine Sauerei! Er wandte sich ab, zückte ein Taschentuch und strich sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war übel. Er kannte das. Doch er hatte sich nie daran gewöhnen können.
Der 46-Jährige arbeitete seit mehr als zwanzig Jahren bei der Kripo, davon verbrachte er zwölf im »Erkennungsdienst« des Präsidiums in
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