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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Verachtung. Eine Anruferin: »Es handelt sich um die Triebverbrecher. Die meisten Leute übersehen in ihrer verständlichen Wut, dass es sich um kranke Menschen handelt, die eigentlich unser Mitleid verdient hätten. Ich bin selbst Mutter von zwei Kindern. Trotzdem wollte ich Ihnen das gesagt haben.« Viele gestresste Bürger hielten es aber mit jenem Mann, der erbost forderte: »Ich habe jetzt tagelang die scheußlichen Kindermordgeschichten verfolgt. Ich kann nur sagen, diese Burschen müsste man an die nächste Wand stellen!«
    Tageszeitungen berichteten auch von beherzten Versuchen einzelner Bürger, ungesetzliche Volksjustiz auszuüben. So meldete beispielsweise die Rheinische Post: »Polizei verhindert Lynchjustiz. Bornheim b. Bonn. Ein 24-jähriger Arbeiter wurde von mehreren Zeugen dabei beobachtet, wie er ein fünfjähriges Mädchen ansprach und in einen Busch lockte. Bevor der Mann sich an dem Kind vergehen konnte, wurde er in die Flucht geschlagen. Im Ortsteil Botzdorf konnte der Flüchtende von mehreren Männern gestellt werden, die ihn jämmerlich verdroschen. Hinzugerufene Polizeibeamte hatten Mühe, den Mann aus der Menge zu befreien.«
    Die täglich zunehmende öffentliche Empörung zwang die Ermittlungsbehörden in den betroffenen Gebieten zum Handeln. Wenn schon kein erlösender Fahndungserfolg gelingen wollte, sollte zumindest nichts unversucht bleiben, um weitere Gräueltaten zu verhindern. An besonders gefahrenträchtigen Stellen, insbesondere in Waldgebieten und an den Schulen am Stadtrand, wurden Wachposten und Streifen verstärkt. Überdies patrouillierten alle verfügbaren Hundestreifen und Reiterstaffeln. Sogar pensionierte Polizisten wurden reaktiviert; ein imposantes Polizeiaufgebot, das den oder die Mörder abschrecken und den irritierten Bewohnern der Region Zuversicht vermitteln sollte. Flankierend erfolgten immer wieder eindringliche Appelle an die Bevölkerung: »Lassen Sie Ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt!« »Melden Sie verdächtige Beobachtungen.«
    Besonders im Großraum Duisburg war die extreme Verunsicherung mit Händen zu greifen. Das Stadtbild, aber auch das Verhalten vieler Menschen hatte sich verändert: Jede Menge Fahndungsplakate klebten in Schaufenstern, an Litfaßsäulen, Straßenlaternen oder Verkehrsschildern; auf Polizisten in Uniform traf man nun wesentlich häufiger als sonst; vor Schulen bildeten sich größere Menschenmengen, wenn Eltern ihre Kinder abholten; viele Spielplätze waren nahezu verwaist.
    Nicht nur Staatsanwaltschaft und Polizei bemühten sich nach Kräften, auch die städtischen Jugendämter gingen in die Offensive. So wurde in Duisburg eine groß angelegte Aufklärungsaktion zur »Bekämpfung von Sittlichkeitsverbrechen« gestartet. 20000 Löschblätter mit einer Bildergeschichte wurden an die Kinder der Stadt verteilt. Die zeigte eine »noch-mal-gut-gegangene« Verführung durch den »Kinderschänder«. Die Kids sollten »abgeschreckt« und gegen die Lockmittel der »Sittenstrolche« immun gemacht werden.
    Die Essener Kriminalisten, zuständig für die Aufklärung der Morde an Ilona Dönges und Monika Reimer, traten nach wie vor auf der Stelle. Eine Überprüfung der fünf Verdächtigen, die der elfjährige Tatzeuge im Neusser Fall auf Fotos »vielleicht« als Mörder von Manuela Hallich erkannt zu haben glaubte, war ein Schlag ins Wasser gewesen. Drei konnten bombensichere Alibis vorweisen, einer war zu den Tatzeiten bereits wieder inhaftiert gewesen, und der andere konnte nicht befragt werden: Er war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Auch die pfiffige Idee eines jungen Kriminalkommissars erwies sich als wenig hilfreich. Er hatte vorgeschlagen, alle Schutzpolizisten mit den Bildern bekannter Sexualverbrecher auf Streife zu schicken. Unmöglich, es wären einfach zu viele gewesen.
    Jetzt waren auch ungewöhnliche Methoden gefragt, die meisten Standardmaßnahmen erschienen ausgereizt. Unterdessen wurde Horst Kuhnert, der Leiter der Mordkommission, über die bevorstehende Beisetzung Monika Reimers in Walsum informiert. Der 51-jährige Kriminaloberrat nahm es bei all der Hektik des Tagesgeschäfts zunächst nur beiläufig zur Kenntnis. Aber auch in den Stunden danach beschäftigte ihn diese Ankündigung, ohne dass er konkret darüber nachdachte.

20
                        
                       »Jeder Verbrecher kehrt an den Tatort zurück.« So lautet ein althergebrachter kriminalistischer

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