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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Zielperson hat kurzes dunkelbraunes Haar, trägt helle Cordhose, blaues Polohemd, mehrfarbiges Leinenjackett.«
    Wenn er gewusst hätte, was passieren würde, er wäre erst gar nicht losgefahren. Und irgendwie hatte er es auch geahnt. Kacke! Er war tieftraurig, aber auch erleichtert. Denn es war vorbei.
    »Kriminalpolizei.« Jetzt hatten sie ihn. Einer der Beamten zeigte dem Mann seine Dienstmarke. Der wurde unruhig, presste die Lippen zusammen, ballte die rechte Hand zu einer Faust, vermied Blickkontakt.
    »Was machen Sie hier?«
    Keine Antwort.
    »Junger Mann. Hören Sie schlecht! Ich wiederhole mich ungern: Was machen Sie hier auf dem Friedhof?«
    »Das geht euch ’n Scheißdreck an!« Der Mann wurde zunehmend ungehaltener.
    »Wie heißen Sie?«
    Wieder Schweigen.
    »Weisen Sie sich bitte aus!«
    »Hab’ nix dabei!«
    »Dann müssen Sie uns jetzt begleiten. Sie sind festgenommen!«
    Der Mann ließ sich widerstandslos abführen. Kuhnert hatte alles beobachtet und beeilte sich, seine Kollegen zu erreichen. Wenig später nahm er einen Beamten zur Seite: »Was war los?«
    »Wollte nichts sagen und konnte sich nicht ausweisen.«
    Der Mann wurde in einen Streifenwagen gesetzt und ins Präsidium gefahren. Man wollte herausfinden, wer er war und was er auf dem Friedhof gewollt hatte.
    Der Straßenbahnzug erreichte die Haltestelle »Dinslakener Bruch«. Alle Passagiere verließen die Bahn – bis auf einen; der saß regungslos da, den Kopf nach hinten gelegt, die Augen halb geöffnet. Der Schaffner ging auf den Mann zu und tippte ihn vorsichtig gegen die Schulter. »Hallo, Sie da. Endstation!« Er schaute den Kontrolleur an, als gäbe es ihn gar nicht – einfach durch ihn hindurch. »Is’ wohl gestern ‘n bisschen spät geworden, wa?« Er blieb die Antwort schuldig.
    Er war einfach sitzen geblieben, er hatte sich nicht aufraffen können, er hatte sich nicht getraut. Anstatt zum Friedhof zu gehen, hatte er sich ausgemalt, wie es wohl dort gewesen wäre. Immer wieder hatte er das Mädchen in seinem Sarg angeschaut, anschließend der Mutter die Hand gereicht. Wortlos. Jetzt wusste er nicht, ob er lachen oder ob er weinen sollte.
    »Jetzt wird’s aber Zeit!« Noch etwas benommen rappelte er sich hoch, würdigte den Schaffner keines Blickes, sprach kein Wort, stieg aus und schlurfte davon. Und er wusste immer noch nicht, was er von all dem zu halten hatte.
    Mittlerweile hatte sich herausgestellt, dass Kuhnert und seinen Kollegen ein dicker Fisch ins Netz gegangen war. Der Festgenommene war ein Drogendealer, der sich am Friedhof mit einem Junkie verabredet hatte. Bei der Leibesvisitation des 24-Jährigen waren fünf »Briefchen« gefunden worden, gefüllt mit Heroin. Das Rauschgiftdezernat hatte anschließend die Wohnung des Mannes durchsucht und war fündig geworden: In einem Heizungsschacht hatten mehrere Beutel Heroin gelegen, zusammengenommen etwas mehr als ein Kilogramm. Ein spektakulärer Fahndungserfolg.
    Das eigentliche Ziel der »Aktion Friedhof« aber war verfehlt worden. Vermutlich. Höchstwahrscheinlich. 14 Männer hatten die Beamten überprüft, aber alle hatten sie wieder ziehen lassen müssen. Bis auf einige Namen und Adressen standen die Ermittler mit leeren Händen da.
    Horst Kuhnert lehnte am Fenster seines Büros. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Geistesabwesend schaute er einer Straßenbahn hinterher, die am Polizeipräsidium vorbeifuhr. Haben wir ihn vielleicht übersehen? Oder haben wir uns einfach nur blöd angestellt? Oder war er gar nicht da? War das alles nur eine Schnapsidee? Aber egal, was und warum es auch passiert sein mochte, Kuhnert blieb sich treu: DICH krieg’ ich!

22
                        
                       Es waren nur noch ein paar Meter. Dann würde er neu anfangen können – und müssen. »Wenn Sie nicht schuldig sind, müssen Sie mit allen Mitteln versuchen, von der Strafe freizukommen.« Konrad Meckler erinnerte sich nur ungern an die Worte jenes Richters, der ihn hinter Gitter geschickt hatte. Im September 1961 war er wegen »gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge« durch das Landgericht Essen zunächst zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er sollte die 16-jährige Schülerin Michaela Kurth im Stadtwald in Essen getötet haben, in den Abendstunden des 26. Juli 1959. Auch die folgenschwere Einschätzung des psychiatrischen Gutachters wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf: »Die Tat passt zu dem Angeklagten wie

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