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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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erschöpften Kollegen noch früher als gewöhnlich um sich zu scharen. Aber allen Anwesenden war klar, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein musste – oder bevorstand.
    »Ich habe mir die Sache lange überlegt«, begann Kuhnert seinen Vortrag, »und bin zu der Überzeugung gekommen, dass wir es probieren sollten. Denken wir nur an den Fall Kürten. Hätten die Kollegen damals gewusst, was wir wissen, hätte man ihn wahrscheinlich viel früher geschnappt. Ich kann nicht ausschließen, dass wir es mit einem ähnlich gestrickten Täter zu tun haben. Jetzt stellt euch mal vor, unser Mann kommt tatsächlich zur Beerdigung, und wir sind nicht vor Ort.«
    »Zwischenfrage.« Ein Kollege meldete sich zu Wort.
    »Hans, bitte.«
    »Ist denn damit ernsthaft zu rechnen? Der müsste doch schön blöd sein. Wenn er nur einen Funken Verstand besitzt, dann rechnet er damit, dass wir auch da sind. Und wir hätten uns umsonst ins Zeug gelegt. Wie beim letzten Mal!«
    Hier und da nickten Kollegen zustimmend. Aber Kuhnert ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen: »Kann natürlich sein, dass wir von diesem Kerl eine völlig falsche Vorstellung haben. Ich kann auch nicht sagen, wie groß unsere Chance ist. Aber wir haben eine, soviel ist sicher. Es hat schon genug Beispiele für ein solches Verhalten gegeben. Und den einen oder anderen hat man tatsächlich dabei erwischt. Vielleicht kommt er, weil er neugierig geworden ist. Oder weil er sich uns überlegen fühlt. Ist mir doch egal. Hauptsache, er kommt!«
    Kuhnert war energisch geworden. »Hat einer von euch noch etwas zu ergänzen?« Allgemeines Kopfschütteln. »Dann lasst uns jetzt die Einzelheiten besprechen.« Kuhnert studierte kurz seinen »Einsatzbefehl«, den er nach Ende der Besprechung an alle Kollegen verteilen würde. Sein Konzept sah vor, dass acht Beamte die Zugänge des Friedhofs überwachen sollten, weitere acht waren für die Beobachtung und Überprüfung einzelner Trauergäste vorgesehen. Im Besprechungszimmer der Mordkommission wurde eine »Führungsstelle« eingerichtet, Kuhnerts Vertreter und ein weiterer Beamter waren für Kommunikation, Koordination, Personen- und Kennzeichenüberprüfungen sowie Alarmierungen zuständig. Kuhnert selbst hatte sich zwei Kollegen zugeteilt, die ihn auf dem Friedhofsgelände unterstützen sollten. Für den bevorstehenden Einsatz war auch ein Sonderkanal geschaltet worden, um jederzeit einen ungestörten Informationsaustausch gewährleisten zu können.
    Da keine Täterbeschreibung existierte, mussten andere Verdachtsmomente genügen. Kuhnert erklärte: »Schaut euch die Leute genau an. Jeder, der irgendwie nicht ins Bild passt, ist verdächtig: Männer zwischen 20 und 40 ohne Begleitung. Oder Burschen, die nicht angemessen gekleidet sind. Oder derjenige, der sich verspätet. Oder abseits herumlungert. Schnappt euch die Leute, ohne großes Aufsehen zu erregen. Wer keinen Ausweis dabeihat, wird fotografiert – ohne Ausnahme.«
    Zwei zivile Funkwagen, jeweils besetzt mit zwei Beamten und einem Diensthund, sollten sich in der näheren Umgebung des Friedhofs aufhalten, dort Streife fahren oder im Ernstfall einem Flüchtenden nachsetzen. Ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes stand in Bereitschaft, der das Einsatzgebiet binnen fünf Minuten erreichen konnte. Überdies war ein Zug der Essener Bereitschaftspolizei in Alarmbereitschaft versetzt worden, falls nach einem Verdächtigen in unwegsamem Gelände gesucht werden müsste. Kuhnert hatte an alles gedacht.
    Er lag immer noch im Bett. Dass es ein wenig klamm war, störte ihn nicht sonderlich. Er nässte noch immer ein, vornehmlich dann, wenn er sich Sorgen machte oder ein wenig durcheinander war. Neben seinem Kopfkissen lagen zwei Puppen, die er sich in der Abteilung für Kinderspielzeug eines Kaufhauses besorgt hatte. »Heidi« und »Anna«. Er wollte sie mit Namen ansprechen, wenn er sich mit ihnen unterhielt. Das tat er aber nicht. Er starrte sie nur an. Seine Gedanken kreisten um jenen Tag, an dem er in Walsum dem Mädchen mit dem Pferdeschwanz und dem roten Mantel begegnet war.
    Hatte er bis dahin den Todeskampf, die Tötung und den Missbrauch der anderen Mädchen in seinen Tagträumen stets bis zur Neige ausgekostet, so war es hier anders. Er erinnerte sich, dass sie mit ihm gekommen war, ohne etwas zu sagen, ohne sich zu wehren. Im Schwitzkasten hatte er sie ins Kornfeld geschleppt, war dort über sie hergefallen. Alle anderen haben mich doch vernatzt. Die aber

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