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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Feuilleton, Zu Hören/Zu Sehen, An Rhein und Ruhr. Am Ende der Zeitung stieß er auf eine Doppelseite, die sein Interesse weckte. Dort waren keine Artikel abgedruckt oder große Werbeanzeigen, sondern etwas anderes. Über dem Kleingedruckten stand geschrieben, worum es sich drehte: Grundstücke, Schlafstellen, Nutzfahrzeuge-Verleih oder Verloren/Gefunden. Aber auch hier wurde er nicht fündig.
    Weil er annahm, etwas übersehen zu haben, legte er die Zeitung wieder zusammen und begann von vorn. Auf der letzten Seite schließlich wähnte er sich am Ziel: Das muss es sein! Unter Verschiedenes war ihm am unteren Ende der Seite eine Kleinanzeige aufgefallen, in der zum Schluss der Name einer Frau und ihre Anschrift genannt wurden. Neugierig geworden, begann er das Geschriebene zu studieren: »Mein Ehemann, Günther Loos, Duisburg, Hohenzollernstr. 18, und ich haben kurze Zeit nach der Kapitulation 1945 geheiratet und führen seit je ein glückliches Ehe- und Familienleben mit unseren vier Töchtern. Meine berufl. Tätigkeiten einschl. meiner selbständigen Schreibstubentätigkeit dienten nur dem wirtschaftl. Wiederaufbau meiner Familie. Ich habe das Schreibbüro aus eigenem Ermessen aufgegeben und lebe auch heute nur für meinen Ehemann und unsere vier Töchter, da ich meinen Ehemann und meine vier Töchter inniglich liebe. Ich verbitte mir anders lautende Gerüchte und bitte ggf. um Mitteilung. Edith Loos, geb. Bönemann, Duisburg, Hohenzollernstr. 18.«
    Er dachte nach. Aber er konnte sich darauf keinen Reim machen. Enttäuscht warf er die Zeitung in den Papierkorb.
    Zwei Tage später kaufte er sich noch einmal die WAZ. Wieder begann er erwartungsvoll zu blättern. Frustriert wollte er die Zeitung schon beiseite legen, als ihm ein Bild ins Auge sprang. Er begann höchst interessiert zu lesen: »Süße Begierde. Regie: Alberto Lattuada. Schauspieler: Christian Marquand. Katherine Spaak. Jean Sorel. Frei ab 18 Jahren. Edmund Luft präsentiert den Film der Woche: ›Ich halte Süße Begierde für den besten Film der Woche, weil er mit Poesie und Überlegung vom Dasein eines siebzehnjährigen Mädchens erzählt, das von der Liebe träumt und sie schließlich findet, wobei die Farben jenes Traumes verblassen.‹«
    Das Geschriebene beeindruckte ihn wenig, aber an dem Bild, mit dem für diesen Film geworben wurde, entzündete sich sein Verlangen. Es zeigte eine junge Frau mit dunklen schulterlangen Haaren auf einem Bett, nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, bis zur Hüfte hochgeschoben, die Oberschenkel unbedeckt. Ihrem lasziven Blick war er nicht gewachsen. Sie himmelte ihn an. Er begann alles um sich herum zu vergessen. Und dann lag er neben ihr.
    Nachdem er sie getötet hatte, musste er sich die Hände waschen. Er war wie befreit – für den Moment, für diesen Tag. Aber er war immer noch nicht am Ziel, die Sache mit der Zeitung ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
    Als ihm seine Schwester geraten hatte, es doch mit der Wochenendausgabe zu probieren, unternahm er einen neuen Anlauf. Und er wurde belohnt. In der Rubrik Damen fand er endlich jede Menge Lesestoff: » 43jährige, 1,70, charm., Beamtenwitwe, ev., blond, gutaussehend (durch Unfall leicht behindert), sucht (...)« Oder: » Dame, 29, 1,72, kath., blond, vielseitige Interessen, möchte passenden Partner kennenlernen. Spätere Heirat erw. Bildzuschriften erb. unt. 68.156 WAZ Duisburg.«
    Aber so manches verstand er nicht. Mit »Wasserfrau« konnte er genauso wenig anfangen wie mit »Aparte Stud.-Paed.« oder »schuldl. gesch. Akad.« Dennoch schnitt er alle Anzeigen aus, die ihm interessant und lohnenswert erschienen. Er zeigte sie seiner Schwester, ließ sich alles erklären. Mit ihrer Hilfe antwortete er auch auf eine Reihe von Annoncen – und legte jeweils das gewünschte Bild von sich dazu.
    Gespannt wartete er auf Post. Tagelang. Wochenlang. Aber der Briefträger brachte nur Rechnungen oder Reklame. Irgendwann gab er die Hoffnung auf.
    Auch im August 1965 arbeitete er noch bei Mannesmann. Von seinem Zimmer im Arbeiterhotel in Duisburg-Angersheim war es nicht weit bis zu seinem bevorzugten Jagdrevier. Er benötigte zu Fuß ganze 15 Minuten, um drei Baggerseen im Grenzbereich der Stadtteile Huckingen und Großenbaum zu erreichen. Dort fand er ideale Bedingungen vor: ein von wenigen schmalen Straßen und Feldwegen durchschnittenes Areal, kaum bebaut, von zahlreichen hohen Bäumen und dichten Gebüschgruppen bestanden, die ausreichend Deckung boten.

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