Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
nackte Angst: »Der ist immer noch hinter uns her!« Roman Berthold drehte sich um. Tatsächlich: In einiger Entfernung folgte ihnen dieser Mann, von dem sie nicht wussten, warum er das tat.
Nach kurzem Zögern bog Anke Gladisch ab, übersah dabei aber das Sperrschild »Durchfahrt für Kraftfahrzeuge verboten«, und sie konnte nicht ahnen, dass der Weg eine Sackgasse war. Nach 400 Metern musste sie wenden.
Er war dem langsam fahrenden Wagen hinterhergelaufen und hatte alles mitbekommen. Er wusste, dass sie würden zurückkommen müssen. Und das war seine Chance, genau darauf hatte er spekuliert.
Als Anke Gladisch an der Kreuzung kurz stoppte, würgte sie den Motor ab. Die geringe Fahrpraxis. Die Angst. Die Nervosität. Ihr wurde schlecht vor Aufregung. Es war wie in einem Horror-Film.
»Anke, was ist?«
»Ich glaub’, ich muss gleich kotzen.«
Erneut versuchte sie, den Wagen in Gang zu bringen. Aber es klappte nicht. »Lass mich mal.« Roman Berthold hatte zwar keinen Führerschein, aber er vertraute auf seine Erfahrungen, die er mit dem Auto eines Freundes gemacht hatte. »Rutsch ‘rüber.« Während ihr Freund um den Wagen herumlief, kletterte sie auf den Beifahrersitz. Roman Bertholds erster Versuch schlug fehl. Als er es erneut versuchen wollte, schrie seine Freundin laut auf. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet.
Er hatte den Wagen mittlerweile erreicht, das Scheinwerferlicht ließ Beine und Unterkörper erkennen – aber Oberkörper und Kopf waren zunächst nur schemenhaft auszumachen. Roman Berthold gab sein Vorhaben auf, stieg aus und baute sich vor dem Fremden auf, den er um einen Kopf überragte.
»Was willst du Schwein?«
Die Antwort traf ihn vollkommen überraschend. Er sah das Messer im Licht der Scheinwerfer noch aufblitzen, er versuchte auch noch eine Abwehrbewegung zu machen, aber schon durchbohrte die wuchtig von unten nach oben geführte Klinge seinen Brustkorb. Er schrie laut auf, presste beide Hände auf die Wunde. Roman Berthold begann zu taumeln, drehte sich um und brüllte: »Anke, fahr, fahr, der will dich!«
Seine Freundin hatte alles beobachtet und war wieder auf den Fahrersitz gerutscht. Anke Gladisch war geschockt, entsetzt. Endlich gelang es ihr, den Motor zu starten. Sie legte hastig den ersten Gang ein und fuhr rechts an den Männern vorbei in Richtung Buscherstraße. Ihr Freund lief torkelnd hinter dem Wagen her. Nach etwa 50 Metern schaute sie gebannt in den Innenspiegel. Sie erkannte Roman, der sich die Straße mühsam entlang schleppte – aber der Mann folgte ihr nicht mehr, er war stehen geblieben. Anke Gladisch bremste. Wenig später erreichte Roman Berthold das Auto. »Anke, ich kann nicht mehr!« Er blutete stark und versuchte noch, sich am Wagendach abzustützen. Doch dann sackte er lautlos zusammen. Seine Freundin stürzte zu ihm herüber. »Roman. ROMAN!« Er verlor das Bewusstsein.
Die Schreie des jungen Mannes hatten ein älteres Ehepaar aufmerksam werden lassen, das sich nur wenige hundert Meter entfernt aufhielt. Das Paar eilte den Überfallenen zu Hilfe und alarmierte wenig später einen Krankenwagen und die Polizei.
Er lief zu dieser Zeit so schnell er konnte, das blutverschmierte Messer noch in der rechten Hand, über ein Wiesengelände, spurtete dann einen Feldweg entlang in Richtung der hell erleuchteten Häuser, die aus der Ferne schon deutlich zu erkennen waren. Als er die ersten Bauernhöfe erreichte, stoppte er, putzte das Messer am Wegrand im Gras ab, klappte es zusammen und steckte es ein. Dann ging er im Schritttempo weiter.
Es war nicht so passiert, wie er es sich vorgestellt hatte. Er war davon ausgegangen, dass der Begleiter der Frau unmittelbar nach der Messerattacke versterben, wenigstens aber keine Bedrohung mehr darstellen würde. Wie lange es dauerte, bis der Tod beim Würgen oder Drosseln eintrat, das konnte er nahezu sicher einschätzen. Aber im Umgang mit einem Messer war er ungeübt. Dass sein Opfer sich auf den Beinen hatte halten können und dem Wagen mit der Frau gefolgt war, hatte ihn irritiert. Überdies hätte er die Frau weiter verfolgen können, aber er hatte es für aussichtslos gehalten. Und er hatte befürchtet, dass die Schreie des Mannes gehört worden sein könnten. Deshalb war er geflüchtet.
Zehn Minuten nach dem Überfall erreichte er sein Zimmer im Arbeiterhotel seiner Firma. Das Messer wusch er unter dem Wasserkran ab, säuberte anschließend auch die Kerbe vom Blut des Opfers. Die Sache hatte auch ihn
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