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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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zunächst stehen geblieben. Dabei hatte er den Unbekannten eine Zeit lang beobachtet und den Eindruck gewonnen, der Mann »suchte etwas oder wartete auf jemanden«.
    Die Kripo hielt es für möglich, dass der Zeuge Wolfgang Ramstetter gesehen hatte. Und das wäre ein weiteres Indiz für dessen Täterschaft gewesen. Denn Ramstetter behauptete stur, an diesem Abend nicht am Tatort und auch nicht in dessen Nähe gewesen zu sein. Aufklärung versprach eine Gegenüberstellung. Sieben Männer im Alter von 18 bis 25, die Ramstetter in Körpergröße, Statur und Haarfarbe nahe kamen, wurden aufgeboten, dazu der Verdächtige. Und tatsächlich stellte der Zeuge bei einem der Männer, die ihm präsentiert wurden, Übereinstimmungen fest: »Die Nummer zwei, der könnte es gewesen sein.« Aber es war nicht Ramstetter, den der Zeuge als Verdächtigen erkannt zu haben glaubte, sondern ein Kriminalbeamter aus dem Raubdezernat, der sich als Vergleichsperson zur Verfügung gestellt hatte.
    Auch in der Folgezeit gelang es der Mordkommission nicht, den Verdacht gegen Ramstetter zu erhärten. Schließlich wurde die Untersuchungshaft am 7. Oktober 1966 aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anklage, ein »hinreichender Tatverdacht« war »nicht begründbar«. Der Staatsanwalt ging davon aus, dass die wenigen Indizien nicht ausreichen würden, um vor einer Schwurgerichtskammer einen Schuldspruch zu erwirken. Ramstetter war ein freier Mann.
    Die Mordkommission ermittelte monatelang weiter, ohne dabei ihren »Kandidaten« aus den Augen zu verlieren. Und genau der machte vier Monate später wieder von sich reden. Aber zunächst plauderte ein anderer: Heinz Mucha. Der 52-Jährige saß genauso wie Ramstetter wegen »schweren Diebstahls« in der Justizvollzugsanstalt Werl ein. Beide teilten sich eine Zelle, und Mucha hatte etwas erfahren, das er für mitteilenswert hielt. Erst petzte er beim Gefängnisdirektor, dann erschienen kurz darauf zwei Beamte der »Mordkommission Fritz«. Denen steckte er: »Gestern hat der Ramstetter mir erzählt, er hätte seine Freundin umgelegt. Wörtlich hat er gesagt: ›Ja, ich habe sie umgebracht, damit du beruhigt bist, die Bullen können es mir aber nicht nachweisen.‹«
    Ramstetter wurde zur Rede gestellt. Er räumte freimütig ein, es genau so erzählt zu haben, aber: »Der Typ ist mir nur auf den Keks gegangen. Der wollte ständig wissen, was ich so draufhätte und so. Und dann habe ich ihm einfach diesen Schwachsinn erzählt, damit er endlich Ruhe gibt. Mehr war das nicht. Ich habe Angelika nicht umgebracht!«
    Ob es das verspätete Geständnis eines Mörders war oder nur »Knastgerede«, konnte nicht geklärt werden. Die Beamten machten die Angelegenheit aktenkundig, mehr gab es nicht zu tun. Im Januar 1967 mussten die Kriminalisten das Handtuch werfen, die Mordkommission wurde aufgelöst. Obwohl einige Beamte auch jetzt noch von der Täterschaft Ramstetters überzeugt waren, hatte es nicht gereicht, die Tat »6238/66« blieb »ungeklärt«.
    Wieder war er ungeschoren davongekommen. Nicht weniger als ein halbes Dutzend Mordkommissionen in Nordrhein-Westfalen suchte fieberhaft nach einer Spur, die sie zu ihm führen würde. Vergeblich. Tausende Hinweise waren ausgewertet worden. Nichts. Fehlanzeige. Kriminalistische Knochenarbeit über Wochen, Monate, Jahre. Umsonst. Mehr als 100 Verdächtige hatte man kassiert, aber er war nicht dabei gewesen. Ein intellektuell minderbegabter Malocher aus Duisburg, untalentiert und ungebildet, narrte die Kripo – und mordete fast nach Belieben.
    Die Ermittlungen hatten sich nahezu auf die gesamte Bundesrepublik erstreckt, aber niemandem war es gelungen, die einzelnen Fäden miteinander zu verbinden. Jeder Mord, den er begangen hatte, war ausführlich dokumentiert worden. Und es gab signifikante Parallelen, die allerdings nicht als charakteristische Merkmale einer Mordserie verstanden wurden. Das vermeintlich perfekte Ermittlungssystem hatte vor einem Mann kapitulieren müssen, der keine besonderen Qualitäten besaß, sich primitiver Hilfsmittel bediente und eine höchst simple Strategie verfolgte.

27
                        
                       Im März 1967 schlug der STERN Alarm: »Die westdeutsche Kriminalpolizei wird von einer Lawine des Verbrechens überrollt. Die Bundesrepublik ist zum Tummelplatz für deutsche und ausländische Gangster geworden. Gegen mehr als 60000 Verbrecher liegen Haftbefehle oder

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