Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
geholt, das wüsste ich doch. Der ist an dem Abend so gegen 22 Uhr pitschnass nach Hause gekommen und ist auch nicht mehr weggegangen.« Die Kriminalisten schlussfolgerten hieraus: Ramstetter hatte also »kein glaubhaftes« Alibi, und er hätte genügend Zeit gehabt, um den »Försterbusch« gegen 21.45 Uhr erreichen zu können.
Auch seine Erklärung für den Disput mit seiner Freundin kurz vor der Tat wollte die Beamten nicht überzeugen. »Es stimmt«, erzählte er sichtlich angespannt, »wir haben uns gestritten. Ich wusste von anderen Kerlen, das hat mich richtig gefuchst. Deshalb habe ich ihr Vorwürfe gemacht. Aber dann hat sie mir geschworen, dass sie mit den anderen Schluss machen würde. Und das habe ich ihr auch geglaubt. So ist es gewesen.«
Am 17. September verbreiteten die Marler Lokalblätter eine Erfolgsmeldung: »Mord an junger Frau aufgeklärt? Freund verhaftet.« »Verdächtiger gefaßt – Mordfall Fritz kurz vor der Aufklärung.« »Mord im ‚Försterbusch‘. War es der Freund des Opfers?«
Ramstetter war 24 Stunden zuvor festgenommen worden. Dabei hatte die Kripo auch seine Wohnung durchsucht und Kleidungsstücke mitgenommen, die er am 13. September getragen hatte. Sie sollten durch Experten des Bundeskriminalamtes untersucht werden. Bei seiner »verantwortlichen Vernehmung« war den Beamten ein weiteres belastendes Indiz aufgefallen: »Oberhautverletzungen« an der rechten Halsseite. Die waren von den Beamten zuvor übersehen worden, Ramstetter hatte stets einen Rollkragenpullover getragen. Zudem waren es »keine frischen Verletzungen«.
Aber Ramstetter blieb hartnäckig, vehement bestritt er, seine Freundin ermordet zu haben. Und er bemühte sich, den Ermittlern die Kratzspuren am Hals plausibel zu machen: »Wenn wir miteinander geschlafen haben, wurde es schon mal stürmisch. Wir waren immer ganz scharf, haben uns heftig umarmt und so. Kleine Kratzer oder Knutschflecken waren keine Seltenheit bei uns. An dem Abend war es auch so, sie hat mich am Hals erwischt.« Jetzt wollte ihm niemand mehr glauben, die Kripo wertete die Aussage des Verdächtigen als »Schutzbehauptung«.
Die Mordkommission sah sich in ihrer Einschätzung bestätigt, als das Gutachten des Bundeskriminalamtes vorlag. Der Sachverständige hatte an Hemd, Hose und Schuhen Ramstetters »Vegetationsrückstände« nachgewiesen, wie sie auch im »Försterbusch« vorkamen: »Brombeerstacheln und Flugsamen von Weideröschen«, die überdies »von gleicher Beschaffenheit und gleichem Reifegrad« waren.
Das Untersuchungsergebnis wurde dem Verdächtigen vorgehalten. Ramstetter hatte auch diesmal eine Erklärung. »Das ist doch klar«, begann er, »ich bin mit Angelika einen Tag vor ihrer Ermordung dort gewesen. Wir haben uns da auf den Boden gelegt und miteinander geschlafen.«
Nichtsdestotrotz wähnten die Ermittler sich nach wie vor auf der richtigen Spur. Doch das sollte sich bald ändern. Ein Experte des Bundeskriminalamtes hatte auch den Schlüpfer des Opfers untersucht und festgestellt, dass der, nicht wie irrtümlich angenommen »zerschnitten«, sondern zerrissen worden war. Die Annahme, der Täter habe ein Sexualverbrechen vortäuschen wollen, erwies sich als kriminalistischer Trugschluss. Der Tatortbefund ließ sich jetzt nicht mehr in die ursprünglich angenommene Richtung interpretieren. Die Beamten des »Erkennungsdienstes« hatten bei der Spurensicherung am Tatort nicht genau genug hingesehen und ein Untersuchungsergebnis behauptet, das es gar nicht gab.
War man anfangs davon ausgegangen, den letzten Geschlechtspartner des Opfers anhand der gefundenen Spermien mühelos identifizieren zu können, mussten die Ermittler auch hier zurückstecken. Angelika Fritz hatte die Blutgruppe A 1 MND, Ramstetter A 1 B MND. Da auch Angelika Fritz die Blutgruppe A 1 durch ihre Körpersekrete ausgeschieden hatte, kam es zu einer Vermischung der Spurenträger. Insbesondere trug auch die lange Liegezeit dazu bei, dass »nicht zweifelsfrei« festgestellt werden konnte, welche Blutgruppe jener Mann hatte, von dem die Samenfäden in der Vagina des Opfers stammten.
Unterdessen hatte sich ein älterer Herr bei der Mordkommission gemeldet und erklärt, ihm sei etwa zur Tatzeit vor seinem Haus ein Mann aufgefallen, der sich »komisch« benommen habe und »nicht in die Gegend gehörte«. Der Zeuge wohnte etwa 400 Meter vom Tatort entfernt und hatte seinen Hund ausführen wollen, war wegen des starken Regens jedoch im Hauseingang
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