Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
hatte sie ihm verschwiegen. Aus ihrer Sicht war ja auch nicht viel passiert.
Jetzt war er wieder für sich allein. Er hatte immer darauf gehofft, dass es mal ein Ende haben würde. Aber sein Laken war fast jeden Morgen feucht. Mit 34 machte er immer noch ins Bett. Besonders störte ihn, dass es streng roch und er sich neue Bettwäsche besorgen musste. Er hätte selbst waschen können, aber dazu hatte er keine Lust. Stattdessen bediente er sich in einem Schrank auf seiner Etage, der ausschließlich den Putzfrauen vorbehalten war. Doch das kümmerte ihn wenig. Spätabends, wenn alles ruhig war, holte er sich frisches Bettzeug, die Schmutzwäsche stopfte er kurzerhand in ein leeres Schubfach.
Eine Weile ging es gut, dann sprach ihn eine Putzfrau an, als die ihm frische Bettwäsche hinlegte: »Wenn se neue Laken brauchen, sagen se doch was!«
Erst wusste er gar nicht, was er darauf antworten sollte. Ihm wollte einfach nicht aufgehen, warum gerade er es gewesen sein sollte, wie die Frau auf ihn gekommen war. Dann gab er sich ahnungslos: »Wie meinen se das denn?«
Die korpulente Frau mit den glatt gekämmten grauen Haaren, er schätzte ihr Alter auf Mitte 50, blieb hartnäckig: »Das wissen se doch ganz genau, bin doch nich’ blöd.«
»Das können se doch nich’ einfach so sagen!«, echauffierte er sich.
»Nun machen se aber mal ‘n Punkt. Sie wissen doch genau, wovon ich rede!«
Er war überzeugt davon, es sei besser, nicht mehr zu antworten, und stellte sich demonstrativ vor das Fenster und schaute hinaus – so lange, bis die Frau sein Zimmer verließ. Die Angelegenheit war für ihn erledigt.
Für den Hausmeister allerdings nicht. Der wies ihn zurecht und übergab ihm im Namen der Hausverwaltung eine Abmahnung, in der stand, dass er sein Zimmer nicht übermöblieren dürfe, dass er auf Sauberkeit und Ordnung zu achten habe und nur die ihm zugeteilte Bettwäsche benutzen dürfe. Für den Wiederholungsfall wurde ihm die fristlose Kündigung angedroht. Er musste sich jetzt zusammenreißen.
Im Mai 1967 bestand er endlich seine Führerscheinprüfung, nachdem er im theoretischen Teil einmal durchgefallen war. Er durfte jetzt ein Moped fahren. Vom Sohn eines Arbeitskollegen kaufte er eine Kreidler Florett Super, Baujahr 1962, 4,2 PS-Motor, 4-Gang-Fußschaltung, 17-Zoll-Räder, Kniekissen. Für das anthrazit-metallicfarbene Moped zahlte er 550 Mark.
Anfangs spielte er mit dem Gedanken, das Moped auch bei der Suche nach neuen Opfern zu benutzen. Aber das erschien ihm nicht sinnvoll, da die meisten Feld- und Waldwege nicht befahren werden durften, und er befürchtete, so Spaziergängern, Wanderern, Fahrradfahrern oder Bauern aufzufallen. Das wollte er unbedingt vermeiden. Also musste er auch weiterhin mit Bus oder Bahn fahren, wenn er ein Opfer aufstöbern wollte.
Am 21. Juni 1967, einem Mittwoch, war ihm wieder danach, er musste raus, es drängte ihn. Noch vor dem Frühstück hatte er sich befriedigen müssen, aber das »komische Gefühl« war geblieben – wie ein ungebetener Gast, der nicht wieder gehen wollte.
Als Jagdrevier hatte er sich Bottrop-Kirchhellen ausgesucht. Dort kannte er sich bestens aus. Nach seiner Übersiedlung aus dem Sauerland in den Nachkriegsjahren hatte er dort einige Jahre verbracht. Besonders geeignet erschien ihm der Kirchhellener Ortsteil Grafenwald, der von zahlreichen kleineren Waldgebieten umgeben wurde.
Um kurz nach 10 Uhr verließ er sein Zimmer und fuhr mit der Straßenbahn zum Duisburger Hauptbahnhof. Dort löste er eine Fahrkarte bis Bottrop-Boy. Um 10.53 Uhr bestieg er den Zug.
Er war allein im Abteil und schaute aus dem Fenster. Plötzlich wurde die Tür aufgedrückt. Jemand betrat das Abteil und setzte sich schräg gegenüber hin. Die junge Frau gefiel ihm: etwas kleiner als er, schulterlanges Haar, schlank, weiße Bluse, roter Rock. Jemand hatte eine Zeitung liegen gelassen. Er nahm sie, blätterte kurz und tat so, als würde er darin lesen. In kurzen Abständen fixierte er die Frau. Sie wurde unruhig. Er stand auf und ging zur Tür. Die Frau nahm ihre Beine zur Seite, um ihm Platz zu machen. Blitzschnell schlang er ihr den rechten Arm um den Hals und nahm sie mit beiden Händen in einen fürchterlichen Würgegriff. Sie brachte nicht einen Ton heraus, mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Das erregte ihn. Brutal drückte er sein Opfer zu Boden, den Würgegriff nicht lockernd. Er setzte sich auf sie. Die Frau begann zu schreien, er schlug ihr ins Gesicht.
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