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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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zu diesem Zeitpunkt ganz überwiegend unbekannt gewesen sein musste. Vielleicht war der Kneipengast nur ein Anwohner oder Spaziergänger, der alles zufällig beobachtet hatte und sich lediglich mitteilen wollte. Es konnte aber genauso gut der Mörder gewesen sein, der sich wichtig tun oder einfach nur reden wollte, sich dann aber doch zurückgehalten hatte.
    Da offen bleiben musste, was der Unbekannte mit seiner Bemerkung hatte aussagen wollen, ein »Tatbezug« jedoch nicht auszuschließen war, avancierte der Mann zum »wichtigen Zeugen«. Hildegard Pröpper konnte den ominösen Gast beschreiben. Gesucht wurde nun nach einem 18 bis 25 Jahre alten Mann, zirka 1,70 Meter groß, dunkle Haare und lange Koteletten, der eine braune Hose und einen beigefarbenen Anorak besaß. Weil Hildegard Pröpper behauptet hatte, den Mann auf Fotos wiedererkennen zu können, wurden ihr mehr als 300 Bilder von »Sittentätern« aus der Region und angrenzenden Städten vorgelegt. Aber die 48-Jährige konnte sich zu keinem eindeutigen »Ja, das ist er« durchringen.
    Unterdessen hatte sich herausgestellt, dass Julias lilafarbene Geldbörse fehlte. Sie war weder am Tatort noch im Haus der Römkens gefunden worden. Hatte sie der Mörder mitgenommen? Zweifelsohne ein Erfolg versprechender Ermittlungsansatz. Die Medien wurden in der obligatorischen Pressekonferenz informiert, darüber hinaus verteilten die Fahnder in Hösel, Breitscheid, Ratingen und den angrenzenden Stadtteilen der Metropolen Essen und Düsseldorf mehr als 40000 Handzettel.
    Das Echo aus der Bevölkerung war gewaltig, Hunderten von Hinweisen musste nachgegangen werden. In den folgenden zwei Wochen überprüfte die Mordkommission insgesamt 1174 Männer, von denen schließlich nur sieben im Netz der Fahnder hängen blieben: ein »Geisteskranker mit Frauenkomplex«, der unentwegt auf Heiratsanzeigen antwortete; ein »Spanner«, der im Höseler Wald Frauen beobachtete; ein wegen Vergewaltigung Vorbestrafter, der auf einer Luftmatratze in der Nähe des Tatorts kampiert hatte; vier mehrfach verurteilte Einbrecher und Diebe. Alle hatten sich nachweislich fast täglich in den Waldgebieten rings um Hösel herumgetrieben und konnten für die Tatzeit kein Alibi vorweisen. Nach wochenlangen intensiven Ermittlungen war die Kripo der festen Überzeugung: Einer von ihnen musste der Mörder sein. Die meisten Beamten tippten auf den vorbestraften 33-jährigen Vergewaltiger, der seine am 21. Mai getragenen Klamotten in einem Schließfach am Dortmunder Bahnhof versteckt hatte und sogar zugeben musste, mittags in der Nähe des Tatorts gewesen zu sein.
    Die Kleider aller sieben Männer wurden kassiert und zur weiteren Untersuchung zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden geschickt, zusammen mit Dutzenden anderer Hinweise und Spuren, die an Sträuchern am Tatort, an der Bekleidung und unter den Fingernägeln des Mädchens gefunden worden waren.
    Die Untersuchungsergebnisse des Bundeskriminalamts überraschten die Ermittler, ließen sie aber auch aufatmen. Mit Hochdruck war vier Wochen lang alles getan worden, um Julias Mörder baldmöglichst zu fassen. Insgesamt 1002 Spuren hatten die Beamten verfolgt, »Spur 26« erwies sich als Volltreffer. Endlich gab es einen »dringend Tatverdächtigen« – allerdings jemand, den keiner der Beamten ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Der mutmaßliche Mörder hieß Roland Schnorrenberger und wohnte im Nachbarhaus der Familie Römkens.
    Das Gutachten der Experten aus Wiesbaden belastete den 22-Jährigen schwer: »Es sind an zwei Kleidungsstücken des Opfers (Pullover und Mantel) zehn verschiedenfarbige Fasern gefunden worden, wie sie in der schottenmuster-karierten Windjacke des Verdächtigen Schnorrenberger auftreten. 20 solcher Fasern (vier Fasersorten) sind an den Zweigen des Zugangs zum Tatort gesichert worden. An der Oberbekleidung des Verdächtigen Schnorrenberger sind drei Textilfasern gefunden worden, wie sie im Pullover des Opfers enthalten sind. Die Untersuchung der Ablagerungen unter den Fingernägeln des Opfers haben in geringem Umfang Fasern hervorgebracht, wie sie in der Jacke des Verdächtigen Schnorrenberger vorkommen.« Diese wechselseitigen Faseranhaftungen bewerteten die Gutachter als »eindrucksvolle Übereinstimmung«, zudem hatten vergleichbare »Kontaktspuren« bei den Kleidern der übrigen Verdächtigen nicht festgestellt werden können.
    Ferner hatte eine Blutgruppenbestimmung ergeben, dass sich sowohl an der Innenseite von Julias

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