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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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des Opfers und der Schulranzen.
    Der rechtsmedizinische Befund bestätigte die Annahme der Kriminalisten: Julia war den qualvollen »Erstickungstod« gestorben. Bei der Obduktion stellte der Sachverständige des Instituts für Gerichtliche Medizin der Universität Düsseldorf ferner »eine nicht mehr intakte Jungfernhaut« fest. Konkret wurde am Scheideneingang eine »Hauterosion« nachgewiesen, die durch »ein Kratzen mittels eines Fingernagels« verursacht worden sein sollte. Der Eingang der Vagina »war höchstens für einen Daumen zugänglich«. Allerdings schloss der Gutachter »einen vollendeten Geschlechtsverkehr mit vollständiger Einführung des erigierten Penis« aus.
    Weitere Untersuchungen im Bundeskriminalamt erbrachten im Scheidenabstrich den Nachweis von »zahlreichen Spermatozoen«, dazu »Spermienköpfe in sehr geringer Menge« an der linken unteren Außenseite von Julias Mantel. Die Blutgruppenbestimmung ergab, dass die Spuren »zweifelsfrei A-Substanzen« enthielten, gleichzeitig aber auch »ein starker Hinweis auf B-Substanzen« vorhanden war. Da das Opfer die Blutgruppe A 1 B hatte und »Ausscheiderin« war, kam als Täter jemand mit der Blutgruppe A-B infrage, der seine Blutgruppeneigenschaft ebenfalls über Körpersekrete ausschied.
    Aus organisatorischen und kriminaltaktischen Gründen wurde die 30-köpfige Mordkommission im evangelischen Gemeindehaus in Hösel untergebracht. Die verunsicherten Bürger nahmen es wohlwollend zur Kenntnis, gleichwohl war dies kein Freibrief. In Hösel und Umgebung gab es nur noch ein Gesprächsthema, und es wurde heftig diskutiert und spekuliert. Zwei Fragen beschäftigten nicht nur die Eltern junger Mädchen: Wer war zu so etwas fähig, und wann würde der Mörder sich sein nächstes Opfer holen?
    Zunächst begannen die Kriminalisten damit, systematisch alle Nachbarn der Römkens zu befragen, ob sie etwas Verdächtiges gehört oder gesehen hatten und wo sie selbst zur Tatzeit gewesen waren. Denn die Kriminalisten favorisierten die Annahme, der Täter müsse sich im Höseler Wald ausgekannt haben. Die kleine Schonung, in die der Täter das Mädchen gezerrt hatte, war für ortsfremde Spaziergänger vom Waldweg aus nicht zu erkennen. Und die Ermittler unterstellten, dass der Gesuchte zumindest seine Hose auf dem durchgeweichten Waldboden beschmutzt haben musste, als er über Julia hergefallen war. Aber niemand vermochte sich an einen Mann zu erinnern, der sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes aufgehalten und der durch nasse und dreckige Kleidung aufgefallen war. Nur ein zufällig angetroffener Forstarbeiter berichtete den Beamten von einem »hellen VW-Käfer«, der in den Mittagsstunden des 21. Mai am Waldrand gestanden haben sollte.
    Die Befragungen mussten ausgedehnt werden. Nicht auszuschließen war, dass der Mörder sein Opfer in der S-Bahn angesprochen und es später begleitet hatte. Ein Dutzend Beamte ermittelte tagelang zur »tatkritischen Zeit« in den S-Bahn-Zügen, die zwischen Düsseldorf und Essen verkehrten. Es wurden Bilder des Opfers gezeigt und Fragen gestellt: »Haben Sie dieses Mädchen am 21. Mai hier in der Bahn oder auf dem Bahnsteig gesehen?« »Ist Ihnen an diesem Tag nach 14.30 Uhr ein Mann aufgefallen, der durchnässte und verschmutzte Kleidung getragen hat?« Wieder blieben die Beamten erfolglos.
    Neben anderen mehr oder weniger ernst zu nehmenden Hinweisen auf einige Männer, die sich in der Vergangenheit häufiger in der Region herumgetrieben hatten und den Anwohnern des Waldgeländes jetzt »merkwürdig« oder »komisch« vorkamen, ließ die Fahnder die Aussage einer Frau aufhorchen. Hildegard Pröpper, die Wirtin der Gaststätte »Boltenburg« in Breitscheid, hatte nämlich zu Protokoll gegeben: »Das war an dem Tag, als das mit dem Mädchen passiert ist. Da saß in meiner Kneipe ein junger Bursche, der zu mir gesagt hat, am Bahnhof wäre etwas passiert. Mehr hat er dazu nicht gesagt. Nachgefragt habe ich aber auch nicht, weil ich zu beschäftigt war. Jetzt kommt mir das aber doch irgendwie merkwürdig vor. Ich weiß nicht mehr genau, wann das Gespräch stattgefunden hat, aber es war auf jeden Fall am späten Abend.«
    Es existierte demnach ein junger Mann, der schon kurz nach Aufnahme der Ermittlungen etwa zehn Kilometer entfernt in einem Lokal Andeutungen gemacht hatte, es sei »am Bahnhof etwas passiert«. Damit konnte nur der Aufmarsch der Polizeikräfte gemeint gewesen sein – oder die Tat selbst, die den Bürgern aber

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