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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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einkommenslos, also genau genommen ohne Hab und Gut und Zukunft und Dach überm Kopf. Eigentlich saß Mona schon in der Gosse. Mit einem Kind. Ohne Job. Und beinahe minderjährig!
    Ich schniefte.
    Wer war eigentlich der Vater? Wusste Mona das überhaupt? Bestimmt dieser Pätrick. Auf den war doch kein Verlass! Der war ja selbst noch grün hinter den Ohren! Und jetzt hatte er meiner guten, quasi arbeits- und obdachlosen Freundin Mona auch noch ein Balg angedreht! Wenn das Kind überhaupt von ihm war, bei dem Gauner konnte man sich da nicht sicher sein.
    Ich heulte mit den anderen im Quartett.
    Mona würde bei mir leben müssen. Ich würde ihr mein Arbeitszimmer herrichten und dafür sorgen, dass sie Hartz VI bekam. Ich würde das Kleine lieben, als wäre es mein eigenes, wenn Pätrick Mona sitzen lassen würde. Die kannten sich ja auch erst seit ein paar Monaten, das konnte ja nicht gutgehen! Hatte Pätrick eigentlich ein geregeltes Einkommen? Hatte Pätrick überhaupt ein Einkommen?
    Ich erzitterte unter einer Welle des tieftraurigen Mitgefühls für Mona und legte meine Hand auf ihre.
    » Das ist… das ist…«, stammelte ich, aber mir fehlten die Worte. Man fand auch keine Worte bei einer solchen Katastrophe. Das wusste ich auch von anderen Trauerfällen.
    » GROSSARTIG !« Tine stand so schnell von ihrem Stuhl auf, dass dieser nach hinten kippte und mit einem ohrenbetäubenden Getöse umfiel. Cora sprang von der Bank und stürzte auf Mona. Alle drei lagen sich vor Glück und Begeisterung flennend in den Armen.
    » Ich freu mich so für dich!«
    » Ich freu mich auch!«
    » Du wirst eine tolle Mama!«
    » Glaub ich auch!«
    » Wie toll, das wird alles verändern!«
    » Ja!«
    » Und du und Pätrick, ihr werdet das ganz großartig machen!«
    » Bestimmt!«
    Die Mädels glucksten durcheinander. Mona stand das pure Mutterglück ins Gesicht geschrieben. Cora und Tine lagen in ihren Armen und wischten einander und sich selbst mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
    Die einzige Regung, die ich in diesem Moment zeigen konnte, war das leise Zittern meiner Unterlippe.
    » Äh… ich… oh.«
    Bereits in frühen Jugendjahren hatte sich meine Gehirnaktivität angewöhnt, in außergewöhnlichen Situationen das Weite zu suchen.
    » Tja, Juli, da bist du platt, was?« Mona grinste breit und strich sich über den superflachen Bauch.
    In der Tat. Da war ich platt. Platt wie ’ne Flunder. Platt wie ein überhitzter Autoreifen in der prallen Augustsonne. Platt wie die Bauten in Berlin-Marzahn. Wenn die Abrissbirne zweimal pendelt.
    » Juli!«, drängelte Tine. » Jetzt sag doch auch mal was!«
    Ein alter Witz aus besseren Zeiten wäre gewesen, jetzt » Was« zu sagen, aber ich glaube nicht, dass mir die Chefhenne und ihre Co-Hühnchen verziehen hätten. Also setzte ich, trotz starker Schmerzen im Gesicht, weil die Fassungslosigkeit mich weiterhin fesselte, und unter Aufbringung der letzten Kraftreserven eine vielleicht nicht gerade begeisterte, aber zumindest freundliche Miene auf und presste hervor: » Toll.«
    Was die Hühner zu neuen Tränenausbrüchen nötigte.
    Den Rest des Abends verbrachte ich neben drei von weiblichen Hormonausschüttungen gebeutelten, hirnamputierten und kreischenden Weibern, die sich gegenseitig die niedlichsten Vornamen vorschlugen, den Zusammenzug von Mona und Pätrick planten, das Kinderzimmer einrichteten, eine geeignete weiterführende Schule für den Nachwuchs suchten und vorsorglich schon mal die Bewerbungsunterlagen der Hochbegabtenförderung anforderten.
    Nur ich, ich saß nebendran und versuchte, das aufgesetzte Lächeln nicht aus meinem Gesicht kippen zu lassen. Da war es endlich, das Kind, das mir prophezeit worden war. Das zweite, um genau zu sein.

Babyblues
    Samstag, 27 . August, um 11 : 14 Uhr
    Ich hab den Babyblues. In den letzten zwei Tagen habe ich ununterbrochen darüber nachgedacht, warum ich die Einzige bin, die sich über Monas neuen Zustand nur bedingt bis gar nicht freuen kann.
    Vordergründig wohl vor allem deswegen, weil ich den Zeitpunkt für eine Schwangerschaft ein wenig… ungeschickt finde. Mona ist Ende zwanzig, gerade läuft ihr erster Job in einer Frankfurter PR -Agentur aus, und sie kennt Pätrick seit gerade mal drei Monaten. Für Schwangerschaften jeglicher Art hat sie doch eigentlich alle Zeit der Welt. Und überhaupt, wer bekommt heutzutage schon mit neunundzwanzig ein Kind?
    Bin ich eigentlich so spießig, oder tu ich nur so?
    Kann mir doch furzpiepegal

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