Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Hand. Leise fluchend schüttelte er das Rinnsal ab, ein paar dicke Tropfen fielen auf den Boden, aus der Flasche quoll mehr Bierschaum. Konrad schlürfte den Schaum ab, das Bier auf dem Boden trocknete er mit einer grazilen Bewegung des besockten Fußes. Dann öffnete er mit seinem Daumen die Smartiesrolle (der Deckel verschwand unter der Kommode) und begann, einzelne Smarties in die Luft zu werfen. Der Versuch, sie mit dem geöffneten Mund wieder aufzufangen, misslang. Vielleicht auch, weil er den Blick nicht vom Telefon in seiner Hand lösen konnte. Er drückte ein paar Mal aufs Touchpad, dann hob er das Gerät ans Ohr. Ein Smartie zerbrach knirschend unter seiner Ferse und hinterließ einen blau-braunen Fleck auf dem Boden.
In den Untiefen meiner Tasche, die neben mir auf dem Sofa saß und das Grauen beobachtete, begann es zu bimmeln.
Konrad sah auf und erblickte mich, menschgewordener Obelisk, wie ich da für meine Beobachtungen der Verhaltensforschung auf dem Sofa saß und ihn regungslos ansah.
» Schatz!« Konrad stürmte auf mich zu und kickte dabei aus Versehen noch ein paar Smarties ins Wohnzimmer. Sein Bier schwippschwappte in der Flasche und blubberte vor lauter Freude den Flaschenhals nach oben.
» Ich wollte dich gerade anrufen!« Er gab mir einen Kuss.
» Ich wollte gerade wieder abhauen«, begrüßte ich ihn und wischte mir Bier von der Hose.
» Was? Wieso?« Konrad ließ sich neben mir auf dem Sofa nieder.
Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus. Jetzt bloß nicht die Kontrolle verlieren. Nicht schreien, nicht spucken, nicht an den Haaren ziehen und– ganz wichtig– vor allem nicht hauen! Ich erinnerte mich an die letzte Folge der Supernanny. Da war ganz klar gesagt worden, dass Gewalt bei der Erziehung nichts zu suchen hatte. Ich versuchte es also auf die nette Tour.
» Kannst du mir, himmeldonnerkreuzkeitelundver FICKT nochmal, bitte erklären, wieso es in unserer Wohnung aussieht, als wären wir der nächste Bewerber fürs Messiehaus?«
Der Beschuldigte sah sich um. Mit echter Überraschung im Gesicht. » Findest du es so schlimm?«
Ich antwortete nicht, sondern schnippte keuchend eine Erdnuss vom Sofa. » Wo ist Tagalog?«
» Ach so«, Konrad lehnte sich zurück. » Ist krank. Kommt nächste Woche wieder.«
» Okeeeeeeh«, sagte ich sehr langsam und überschlug die Möglichkeiten, die mir bis zu Tagalogs Rückkehr blieben. Ich könnte ausziehen, zu meinen Eltern. Oder ein Zimmer in Beschlag nehmen und Konrad den Rest überlassen. Ich könnte die ganze Wohnung zum Kriegsgebiet erklären und den Notstand ausrufen. Oder eine Aushilfsputzfrau engagieren.
» Ich dachte, du kommst erst später«, knirschte Konrad mit den Zähnen. » Du hast ja recht. Hier ist es ein bisschen unordentlich, seit die Putzfrau nicht mehr da ist.«
Bleib jetzt ganz ruhig. Keine Gewalt.
» Soll ich aufräumen?« Konrad machte den Dackelblick.
» Ja«, beschloss ich, stand auf und klopfte mir die Flipskrümel von der Hose. » Ich gehe so lange zu Mona. Die hat eh gefragt, ob ich heute Lust auf Weiberabend hab. Wenn du fertig bist, kannst du mich ja anrufen.«
Ich zog ab und überließ Konrad seinem schlechten Gewissen und dem Staubsauger. Er versprach, sich zu beeilen; ich im Gegenzug den Kontrolldurchgang bei meiner Wiederkehr. Konrad warf mir ein » Ich liebe dich trotzdem!« hinterher, als ich mit nur mühsam unterdrückter Wut die Treppen nach unten stampfte.
Meine Güte. Liebe war manchmal schon echt was für Profis. Ich dachte an Moritz. Nein, ich hatte ihn nicht zurückgewollt. Aber er durfte gerne mal zum Putzen vorbeikommen.
Die frohe Botschaft
Donnerstag, 25 . August, um 09 : 15 Uhr
» Ich bin schwanger!«
Die Nachricht schlug ein wie ein Paukenschlag.
Stille. Ungläubige Gesichter.
Gestern Abend war ich direkt nach dem Zwischenfall mit Konrad zu Mona geflüchtet. Dort saß ich neben Tine und Cora auf der Bank und malte mit meinem Zeigefinger versonnen kleine Kreise auf die blitzblanke Tischplatte.
» Äh… was?« Ich erwachte aus meiner Katatonie. Und starrte Mona an.
» Ich bin schwanger«, wiederholte sie.
» O mein Gott!«, sagte Cora.
» Heilige Scheiße!«, gab Tine zum Besten.
Und dann fingen alle an zu heulen.
Ach du heiliger Strohsack! Das war ja eine absolute Katastrophe! Mona war gerade mal mit ihrem Volontariat fertig, aber ihr Vertrag lief demnächst aus, und man hatte ihr keine Verlängerung angeboten. Sie war quasi arbeitslos. Und quasi arbeitslos war praktisch
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