Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Er verzog vor Schmerz ein klein bisschen das Gesicht, ließ sich aber ansonsten nichts anmerken. Stattdessen schlang er die Arme um mich. » Ich hab doch dich. Und du und ich, wir sind ein gutes Trio.«
Konrad lachte. Und dann küsste er mich. Erst in den Nacken, dann auf den Mund und im weiteren Verlauf auch an anderen Stellen, die aber unter den Jugendschutz fallen und deswegen nicht namentlich genannt werden dürfen. Na also, dachte ich mir. Hatte der ganze Zirkus am Ende doch was gebracht. Und wenn’s nicht für die Kunst war, dann wenigstens für die Erkenntnis.
Ente süß-sauer
Mittwoch, 24 . August, um 19 : 37 Uhr
Als ich heute Nachmittag von einem Treffen mit meinem Verlag in meine Wohnung zurückkam, dachte ich schon beim Schlüsselherumdrehen, dass irgendetwas anders war. Vor der Wohnungstür stapelten sich Müllsäcke und Altpapier, nett angerichtet mit ein paar einzelnen Schuhen und einem halben Käsebrötchen. Willkommen zu Hause, Liebling.
Nanu? Ich war gerade mal zwei Tage weg gewesen. Ich öffnete die Tür. Das Grauen bekam ein Gesicht.
Die Wohnung sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Aber eine mit Granatensplittern und schlimmen Erdbebenfolgen. Plus Tsunami. Maulwurfshügel aus Klamotten sprossen aus dem Boden, eine Rolle Klopapier schlängelte sich komplett entrollt vom Bad ins Schlafzimmer, in der Küche waren allem Anschein nach bahnbrechende Feldversuche zur Erschaffung künstlichen Lebens in Kochtöpfen durchgeführt worden.
Atemlos ließ ich mich aufs Sofa fallen. Unter meinem Hintern zerkrümelten lautstark ein paar Erdnussflips. Ich blieb so sitzen, sprachlos, erstarrt und um die Fassung ringend, bis nach circa zwanzig Minuten Konrad in die Wohnung trat. Er sah mich nicht, aber ich hörte ihn, und durch den Türausschnitt in den Flur konnte ich sein Nachhausekommen vom Sofa aus live und in Farbe miterleben. Ich fühlte mich wie Bernhard Grzimek bei der Beobachtung grauer Gänse. Ach nee, das war jemand anders. Auch egal.
Der Silberrücken, den ich gerade ins Visier nahm, kam in die Wohnung. Durch die Tür erkannte ich, wie er seinen linken Schuh in einer einzigen flüssigen Bewegung vom Fuß streifte, kurz auf den Zehen balancierte und dann den Schuh mit einem kräftigen Schwung in eine Ecke des Flurs schleuderte. Dem rechten Schuh erging es nicht besser: Auch er flog in hohem Bogen quer durch den Raum und landete in der anderen Ecke des Flurs. Mit einer Hand löste mein Observat die Krawatte. Nach mehrmaligem Rütteln und Ziehen löste sich der Knoten, die Krawatte landete treffsicher über der Klinke der Küchentür. Konrad öffnete den Jackettknopf und nestelte sich aus den Ärmeln, allerdings gelang das nur, indem er das Jackett dabei auf links drehte. Das verbliebene Etwas landete zusammengeknäult in der Ecke, wo der linke Schuh bereits sein trostloses Dasein fristete.
Konrad ging ins Badezimmer. Im Vorbeigehen fischte er ein Taschentuch aus der Anzughose und ließ es auf dem Fußboden fallen. Nur wenige Sekunden später kam er wieder in den Türausschnitt. Seine Hose war heruntergelassen, er steckte nur noch mit einem Bein darin, der Rest schleifte hinter ihm her übers Parkett. Konrad, in Gedanken versunken, weil mit dem iPhone spielend, schüttelte irritiert das Bein aus, an das sich seine Hose mit letzten verzweifelten Kräften klammerte. Auf der Türschwelle zum Schlafzimmer gab die Hose auf und blieb wie ein verwundeter Soldat liegen. Konrad ging ins Schlafzimmer und erschien kurz darauf wieder im Flur. Sein Hemd hatte er gegen ein T-Shirt getauscht, ich sah den hellblauen Hemdsärmel mit einem zufälligen Fußtritt unter dem Bett verschwinden. Konrad stand im Flur, in Boxershorts und T-Shirt und irritierenderweise nur einer Socke und starrte immer noch wie gebannt auf sein Telefon in der Hand. Er setzte seinen Verwüstungszug in die Küche fort. Ich hörte, wie er den Kühlschrank öffnete und in den Schubladen der Küchenanrichte herumfuhrwerkte. Dann erschien er wieder im Türausschnitt, in der einen Hand ein Bier und eine Stange Smarties, in der anderen ein Feuerzeug, und hebelte mit einem satten Plopp den Kronkorken von der Flasche. Der Korken flog drei Meter weit ins Wohnzimmer und landete vor meinen Füßen. Konrad machte sich nicht einmal die Mühe aufzusehen. Hätte er es getan, hätte er mich entdeckt, mich und meinen offen stehenden Mund.
Die Show war aber noch nicht zu Ende. Bierschaum blubberte über den Rand der Flasche und lief Konrad über die
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