Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Uhr
» Der Kater muss weg!«
Konrad und ich führen seit drei Tagen dieselbe Diskussion. Zunächst einmal hat er mich belehrt, dass Sydney ein Kater und keine Katze ist. Oh, Verzeihung! In einem Haushalt, in dem Political Correctness ganz oben steht, kann man sich so etwas natürlich nicht leisten. Aber wenn wir schon kleinlich sind: Sydney ist gar kein richtiger Kater, sondern genau genommen ein Wallach-Kater. Schnippschnapp, Spätzle ab. Wahrscheinlich hatten die frischgebackenen Katereltern ausufernde Unterhaltsklagen von Katzenmamas aus der Umgebung befürchtet, jedenfalls wurde Sydney frühzeitig kastriert und infolgedessen fett. Die alte Geschichte. Essen ist der Sex des Alters.
Bei Konrads und meinem Streitgespräch benutzen wir seit drei Tagen exakt dieselben Sätze und bewegen uns keinen Zentimeter von der Stelle. Konrad also, wie erwartet ein Korinthenkacker, folgt den Anweisungen des Drehbuchs und sagt, wie schon die drei Tage zuvor: » Das ist keine Katze, das ist ein Kater.«
Ich verdrehe die Augen. » Was tut denn das zur Sache?«
Konrad seufzt tief und theatralisch. » Juli, DU wolltest den Kater doch nicht haben. Was ist denn bloß in dich gefahren?«
» Pah, das frage ich dich«, gebe ich zurück. » Wieso willst du ihn plötzlich nicht mehr? Als Nadine ihn wollte, hast du sicher nicht so ein Drama daraus gemacht!«
Ja. Okay. Ich gestehe: Der Konflikt um Sydney ist eigentlich vollkommen ausreichend. Total unnötig, noch ein weiteres Fass aufzumachen. Aber wenn wir gerade mal dabei sind…
» Aber genau das ist doch das Problem! Nadine wollte den Kater. Ich nicht. Und ich habe mich überreden lassen, weil ich wusste, dass sie ihn sich so sehr gewünscht hat. Und dann hatte ich das Vieh unentwegt an der Backe. Nadine hat sich kein bisschen darum gekümmert.«
Ah, die Diskussion kenne ich. Die habe ich vor geschätzten zwanzig Jahren schon mit meiner Mutter geführt, als ich ein Kaninchen haben wollte, meine Mutter aber aus– wie sich später herausstellte, vollkommen berechtigter– Angst, dass sie in Zukunft ganz alleine für Meister Lampe zuständig sein würde, ablehnte. Doch ich war immer schon hartnäckig, und das Kaninchen starb auch erst sechs Jahre später. Wie meine Mutter bis heute behauptet, an sozialer Vereinsamung.
» Darüber musst du dir keine Gedanken machen. Die Katze ist meine Baustelle! Ich kümmere mich um alles, versprochen!«
Konrad stöhnt auf.
» Das dumme Vieh hat mir immer die Hemden vollgepinkelt! Und er macht es schon wieder!«
» Ließe sich verhindern, wenn die nicht überall rumlägen.« Nein, den konnte ich mir nicht verkneifen.
» Das gibt’s doch nicht!«, rief Konrad aufgebracht. » Zum zweiten Mal muss ich mich von einer Frau überreden lassen, dieses alberne Fellknäuel in meine Wohnung zu lassen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass mich der Kater verfolgt!« Er wirft einen giftigen Seitenblick auf Sydney, der die aufgeregte Diskussion auf der Küchenbank sitzend mitverfolgt.
» Kater des Teufels«, zischt Konrad, und Sydney zuckt abschätzig mit einem Ohr. Sein Blick weicht keinen Millimeter von meinem Wurstbrot, das unberührt auf meinem Teller liegt. Ich kann einfach nicht anders, ich muss mich diesem Kater verbunden fühlen.
Trotzdem ist Konrads Frage berechtigt: Was ist eigentlich in mich gefahren?
Ein Kater. Ein fetter, genau genommen. In den letzten Tagen habe ich zunehmend Gefallen daran gefunden, tagsüber nicht mehr allein zu sein. Ich war monatelang all by myself, da ist ein bisschen Gesellschaft– und sei sie nur von einem Kater– eine gelungene Abwechslung in meinem Selbstständigenalltag.
Sydney und ich frühstücken morgens zusammen, er das geldbeutelsabotierende Katzenfutter von Schmusy, ich ein paar figursabotierende Brote mit Nutella. Dann rauchen wir eine Zigarette, gehen ins Arbeitszimmer, starten den Rechner und suchen uns Arbeit. Gegen elf machen wir einen Powernap auf dem Sofa, dann gibt’s auch schon wieder Mittagessen. Ich richte ihm sein Fressen, das mit Sicherheit drei Katzenmichelinsterne verdient hätte, ein paar Kräuter daneben, und ich fühle mich ein bisschen wie die hübsche Frau mit dem grauen Mohairpullover aus der Werbung, die der hübschen grauen Katze das köstliche Mahl auf einem achteckigen schwarzen Tellerlein serviert und das Diner anschließend mit ein paar Chopin-Sonaten am Klavier begleitet. Die hübsche Katze, wenn gesättigt, flaniert zur Pianistin hinüber, hüpft auf ihren Schoß, dann auf
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