Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Sie mal, was ich hier gefunden habe! Konrads Taufkleidchen! Ich habe es direkt mal zur Reinigung gebracht, und hinten gab es auch eine kleine Naht, die nicht mehr ganz fest saß. Mein Konnilein war aber auch ein Moppelchen…«
Konrad winkte ab und überließ mich meinem Schicksal.
Das ist einfach kein Zustand!
August
Liebe 3
Treffen sich zwei
Montag, 01 . August, um 15 : 21 Uhr
Heute Morgen wurde ich vom lieblichen Gesang des Staubsaugers geweckt. Als ich die Schlafmaske, deren Halterung sich praktischerweise in meinem Haar verfangen hatte, vom Kopf zog und mir die Ohropax aus den Ohren prokelte, strahlte mich Tagalog an.
» Good morning, Miss!«
Ich musste wieder an die Südstaaten denken. An Baumwollplantagen, an Scarlett und Rhett, an Unabhängigkeitskriege… Weiter kam ich nicht, weil Sydney auf meinen Bauch sprang und sich vor der Putzinfanterie in Sicherheit zu bringen versuchte. Die Luft zischte aus meiner Lunge. Sydney stand auf meinem Brustkorb und miaute mir herzzerreißend und mit schlechtem Atem ins Gesicht. Ich schob den Acht-Kilo-Kater kurzatmig von mir runter und warf Tagalog einen vernichtenden Blick zu. Sie durfte hier ja putzen. Bitte, gerne. Aber doch nicht so laut! Konnte man morgens nicht mal die Dinge erledigen, die kein Geräusch machten? Fenster putzen? Staub wischen? Betten abziehen? Ich strich Letzteres in Gedanken. Dann stand ich auf und stellte mich den Herausforderungen des Tages.
Weil sich der Lärmpegel auch in den kommenden Minuten nicht drastisch verringerte, beschloss ich, meine Arbeit outzusourcen. Ich packte meinen neuen Laptop ein und machte mich bereit. Ein neuer Lebensabschnitt würde beginnen: Ich würde bei Starbucks meinen Arbeitsplatz einrichten. Genau wie all die anderen hippen Selbstständigen in Berlin, Hamburg und New York. Da gab es Kaffee im Überfluss, außerdem zweistündiges Internet for free pro Heißgetränk. Und Günther hatte die Nummer von Starbucks nicht und würde mir demnach auch den ganzen Tag nicht auf den Keks gehen können.
Sydney sah mir vorwurfsvoll hinterher, als ich die Wohnungstür hinter mir zuzog. Na ja, man kann nicht alles haben.
Im Tempel der Freiberufler angekommen, fühlte ich mich zunächst sehr wohl. Überall glotzten mich strahlend silberne Macbooks an und verströmten einen Hauch von Großraumbüro und Großstadtflair. Es duftete nach Kaffee und Brownies. Freundliche Mitarbeiter wünschten mir gut gelaunt und in Zimmerlautstärke einen schönen Tag. Wieso war ich eigentlich nicht schon früher auf die Idee gekommen, mein Büro mal auszulagern? Hier war es doch supernett!
Ich sah mich um. Überall hoch konzentriert auf ihre Rechner einhackende Freiberufler. Die erkannte ich ja zehn Meter gegen den Wind. Was die anderen wohl alle so machten? Vielleicht könnte man mal ein gemeinsames Projekt starten? Ich war willig und billig! Mein direkter Tischnachbar blickte auf und sah meinen neugierigen Blick. Er nickte mir kurz zu, dann versank er wieder in die Betrachtung seines Monitors.
Flegel! Ich war in Plauderlaune! Der Unhöfliche sah aus wie ein Architekt. Sehr schwarz-weiß mit einer grafisch anmutenden Nerdbrille. Und unhöflich. Musste einer von denen sein.
Links neben mir an einem anderen Tisch saß eine skurril angezogene junge Frau. Garantiert Designerin. Nur Designer erlaubten sich, fliederfarbene Leggins zu einem hellgrünen Longshirt anzuziehen und dabei auch noch irgendwie gut auszusehen. Die junge Frau hatte ihre Haare zu einer Assipalme zusammengebunden, ganz weit oben auf dem Kopf. Mit einem Schauder erinnerte ich mich daran, dass ich in den Neunzigern mal ganz ähnlich rumgelaufen war.
Ich verlor mich in der Betrachtung meiner Mitstreiter. Nach einer halben Stunde sah ich ein, dass ich so langfristig nicht weiterkommen würde, und startete endlich das Textverarbeitungsprogramm. Ich arbeitete eine gute Stunde ohne weitere Ablenkungen, sah mich nur selten nach den anderen um und schaffte zu meiner eigenen Überraschung die Überarbeitung einer phänomenal schlechten Hausarbeit eines nicht nur nicht besonders zahlungsfreudigen, sondern offensichtlich auch legasthenischen Studenten der Betriebswissenschaft. Aber die Kassen des Reiches waren leergefegt, und in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen.
Um die Mittagszeit wurde es voller. Schüler, Studenten und junge Familien strömten in das Café, und es wurde zunehmend lauter. Meine Konzentration kippelte. Nachdem ich mich einige Minuten lang wirklich
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