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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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angestrengt hatte, nicht vollends den Faden zu verlieren, riss mich ein herzhafter Babyschrei aus der mühsam aufrechterhaltenen Arbeitslaune. Ich kapitulierte und suchte mit den Augen nach dem Schreihals.
    Huch? Da waren in der Zwischenzeit aber noch einige Jungfamilien dazugekommen! Wo ich auch hinsah, überall wurde gestillt, gegurrt, gewippt und gesungen. Ich war in keinem Starbucks, ich war in einem Kinderhort gelandet! Aber keiner der kleinen Hosenscheißer rings um mich herum war für die infernalischen Laute zuständig, die mein Trommelfell traktierten.
    Das Schreien wurde ein paar Dezibel lauter. Ich lokalisierte das Epizentrum des Grauens. Ein nur wenige Wochen altes Neugeborenes, das sich ein Jungvater sportlich vor den Bauch gebunden hatte. Der kleine Teufel sah in meine Richtung, der Jungvater in die entgegengesetzte. Über das Gebrüll hinweg versuchte er, an der Theke eine Bestellung aufzugeben. Noch lächelte der Starbucksmitarbeiter, aber seine Mundwinkel fielen im Sekundentakt um ein paar Grad nach unten. Neben dem Jungvater stand eine junge Frau, für meinen Geschmack schon wieder viel zu schlank, nachdem ihr Kind vor maximal einem Vierteljahr zur Welt gekommen sein musste, und klimperte der kleinen Kröte mit einer Rassel vor den Augen herum. Schreibaby ließ sich davon nicht beirren und setzte zu einem Crescendo an. Mir dröhnte es in den Ohren.
    Da drehte sich der Jungvater plötzlich um.
    Der verbliebene Milchschaum meines Latte macchiato fiel synchron mit meiner Körperhaltung in sich zusammen.
    Da vorne stand Moritz.
    Moritz, den ich letztes Jahr bei meinem Single-Experiment kennen, aber leider nicht lieben gelernt hatte. Moritz, der mich in einem Café angesprochen hatte, als ich den Männern und der Liebe gerade hatte abschwören wollen. Moritz, der mich und meine Wohnung im Sturm erobert, meine wohlgepflegte Nichtordnung über den Haufen geworfen, ein korrektes Mülltrennungssystem eingeführt, meine Bücher alphabetisch sortiert und es irgendwie doch nicht geschafft hatte, in mein Herz einzuziehen. Moritz, den ich Konrad zuliebe aussortiert– oder vielmehr: der mich aussortiert– hatte, der mir in einem ganz ähnlichen Café vor genau einem Jahr gesagt hatte, dass er mich, meine fehlenden Gefühle, meine unlauteren Mittel und die Existenz von Konrad einfach nicht mehr ertragen könne, und der daraufhin gegangen war. » Ich melde mich«, hatte er mir zum Abschied noch gesagt und es natürlich nie getan.
    Ich hatte mich auch nie gemeldet. Ich war kopfüber in Konrad eingetaucht und hatte nur noch manchmal, in Momenten, in denen ich mit mir alleine war, an Moritz gedacht und daran, dass ich es komischerweise gar nicht richtig gemerkt hatte, als er nicht mehr da war. Vielleicht, weil ein anderer seinen Platz einnahm. Vielleicht, weil er keinen Platz zum Auffüllen hinterlassen hatte, weil ich ihm nie einen zugewiesen hatte.
    Und da stand er nun. Mit einer Frau und einem Baby. Das allem Anschein nach seines war.
    Die junge Frau bückte sich und stellte die große Tasche, die sie über der Schulter getragen hatte, auf den Boden, um darin nach irgendetwas zu suchen. Vielleicht nach Ohrenschützern fürs Auditorium. Moritz hüpfte ein paar Mal leicht auf und ab und versuchte, das Kind zu beruhigen. In diesem Moment sah er in meine Richtung. Und ich, die ich immer noch wie eine Bekloppte in seine Richtung starrte, verfluchte Konrad, der mir keinen Laptop mit größerem Monitor geschenkt hatte.
    Moritz fand meinen Blick. Und erstarrte.
    Ich vergaß zu schlucken. Moritz vergaß zu wippen. Die kleine Kröte beschwerte sich lautstark. Meine Atmung setzte aus.
    Verdammt. Hatte Moritz schon vor einem Jahr so unverschämt gut ausgesehen? Trug er die Haare anders? War das Baby an seiner phänomenalen Ausstrahlung schuld? Oder die Tatsache, dass er wohl innerhalb kürzester Zeit eine neue Beziehung und eine neue Lebensaufgabe als Vater gefunden hatte? Und wer in drei Teufels Namen war die Frau an seiner Seite?
    Ich senkte den Blick. Gott, war mir das unangenehm.
    Ich hatte Moritz fürchterlich verletzt vor einem Jahr, hatte ihn gedemütigt und ausgemustert, ihn gehen lassen, nicht aufgehalten. In einem Jahr, in zwölf Monaten, war er der Einzige gewesen, dem ich wirklich das Herz gebrochen hatte. Und nun stand er vor mir, und neben ihm stand seine schöne, schlanke Freundin, und auf seinem Bauch trug er ein– zugegeben weniger beneidenswert dickes– Baby, und ich saß da und glotzte, und all die

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