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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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Löschmittel finden. Es ist das Gefühl der Machtlosigkeit, den anderen nicht schützen zu können.
    Ich weiß, dass Rouja oft verzweifelt war – vor allem deshalb, weil sie nicht wusste, wie sie mir helfen konnte. Aber sie war in dieser schwierigen Zeit immer für mich da und stellte unsere Beziehung nicht eine Sekunde infrage. Heute weiß ich, wie viel ich ihr verdanke, damals war ich dazu nicht in der Lage, so sehr war ich mit dem Chaos in meinen Gedanken beschäftigt. Und nicht nur ihr gegenüber verhielt ich mich oft feindselig und misstrauisch, sondern auch vielen anderen Menschen gegenüber, die mich, wie ich heute weiß, retten wollten – und zwar in erster Linie vor mir selbst. Ich habe wirklich im Feuer gestanden und dabei lichterloh gebrannt.
    Mein einziges Ziel war, so schnell wie möglich wieder raus aus der Klinik zu kommen. Ich wollte weg, weil mir die Atmosphäre in der Klinik für meine persönliche Situation nicht angemessen schien. Die meisten Patienten waren so schwer krank, dass ein Gespräch nicht möglich war. Der wahre Grund aber war, dass ich in meinen Planspielen erkannt hatte, dass mein Vorhaben scheitern würde, wenn ich weiterhin unter ständiger Beobachtung durch das Pflegepersonal bliebe. Ich musste raus und in Ruhe einen günstigen Zeitpunkt, einen ruhigen Ort und eine »todsichere« Methode finden. Es war meine ständige Forderung, doch in den Gesprächen mit den Ärzten wurde ich immer wieder darauf hingewiesen, dass ich in meinem Zustand unter ärztlicher Betreuung bleiben müsse, weil das Risiko des Rückfalls immens groß sei.
    Den Ärzten war klar, dass sie gegen meinen Willen nicht weiterkommen würden. Auch meine Schauspielerei zeigte Wirkung, die Ärzte gingen vermutlich von einer Besserung aus. Wir vereinbarten schließlich, dass ich in dieser Klinik zwar weiterhin in Behandlung bleiben, diese jedoch ambulant durchgeführt werden sollte. Ich musste schriftlich versichern, dass die Entlassung nur auf meinen ausdrücklichen Wunsch veranlasst worden sei und ich zweimal die Woche zu einem ambulanten Behandlungstermin beim Klinikpsychologen zu erscheinen hätte. Und wieder war ich draußen.
    ■ ■ ■
    Bei der ambulanten Therapie war wie abzusehen kein Fortschritt erkennbar. In den Sitzungen, an denen auch Rouja teilnahm, musste ich permanent weinen. Reden über das, was mich belastete, konnte ich nicht, was weniger an dem Therapeuten lag, sondern an mir, da ich inzwischen niemandem in meiner gesamten Welt mehr vertraute. Wenn mein Anwalt anrief, hatte ich meine Zweifel, ob er mir die volle Wahrheit verschwieg, um mich nicht zu belasten. Wenn ich ein Formular unterschreiben sollte, vermutete ich eine arglistige Täuschung, die zu meiner Entmündigung führen würde. Selbst als mein bester Freund Arno anrief, unterstellte ich, dass er mit Rouja vereinbart hätte, mir nicht alles zu erzählen, was draußen vorging, denn ich war sehr labil und anfällig für jede neue Nachricht, die mich in meiner negativen Lebenseinstellung bestätigen würde.
    Arno lernte ich mit 16 Jahren kennen, als ich Schiedsrichter wurde, damals war er es bereits seit einem Jahr. Wir fuhren oft gemeinsam im Team zu Spielen. Es war eine richtige Bolzplatz-Freundschaft, robust, ehrlich, belastungsstark, die uns später sogar das Gefühl gab, dass wir wie Brüder seien. Wir erzählten uns in totaler Offenheit alle Geschichten aus unserem Privatleben. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, wie wichtig es ist, einen wahren Freund zu haben und diese Freundschaft mehr zu schätzen als die vielen sinnlosen Bekanntschaften und berufsbedingten Zweckgemeinschaften, mit denen wir uns umgeben. Und jetzt war ich so weit, dass ich selbst meinem besten Freund, der heute noch wie ein Bruder für mich ist, plötzlich nicht mehr vertraute?
    Meine Zusammenbrüche und Wutanfälle häuften sich. Bei den Terminen in der Klinikambulanz versuchte ich Haltung zu bewahren und die Ärzte zu täuschen. Ich war antriebslos, hatte keinen Appetit und verlor fast zwölf Kilo Gewicht. Meine Augenränder waren mittlerweile noch schwärzer und lagen noch tiefer. Im Brustbereich hatte ich starke Schmerzen, die Atemnot war stärker geworden und ich wollte immer nur im Dunkeln sein und selbst tagsüber das Bett nicht mehr verlassen.
    Eines Tages wollten meine Frau und meine Schwiegermutter dem Therapeuten nach der Gesprächsstunde die Wahrheit sagen. Sie wollten von meinen Gefühlsausbrüchen zu Hause berichten, damit ich wieder in die Klinik

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