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Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Titel: Ich schau dir zu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paule Angélique
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daraus, dass der erwartete Besucher Harry nicht treffen wird. Dass ich wahrscheinlich nicht einmal dessen Existenz erwähnen darf. Ungeduldig wartet er auf die noch nicht in Erscheinung getretene Person. Sicherlich hilft ihm seine weiterhin rege Phantasie, seinen Zustand zu ertragen. Ich versuche nicht, mich diesem neuen Enthusiasmus zu widersetzen: Die Starre meines Körpers ist so groß und die Erinnerung an Pierre Ayme so fern.
    Gleich wird sich der Mann mit dem Pseudonym Phébus vorstellen. Ich muss mich an Harrys Computer setzen und die E-Mails lesen, die sie versendet haben. Phébus stellt sich als Autor von Videospielen vor, einer der wenigen französischen Entwickler, erläutert er, die sich auf dem asiatischen Markt durchsetzen konnten. Seine Mutter, Psychoanalytikerin und Alkoholikerin, hat seinen Vater an einem schlechten Tag umgebracht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hatte ihn jedoch gewarnt: Sie hatte ihre Tage. Der Vater hatte sarkastisch zurückgegeben: Es ist ja wohl zu einfach, seine Stimmung dem Mondzyklus anzulasten. Dann hat sie ihrem Gatten das Kissen aufs Gesicht gedrückt und ihn, der eine Vorgeschichte mit Herzproblemen hatte, im Schlaf erstickt.
    Diese ausführlichen Antworten erstaunen mich – flüssig geschriebene Texte, die in einem Revolverblatt ein Knüller wären. Der Sohn sagte vor Gericht als Zeuge aus. Er hat die Wahrheit nicht verdreht, seine Mutter aber auch nicht belastet. Die Geschworenen erfuhren nur, dass er ihr nie verzeihen würde, dass sie ihn auf die Welt gebracht hat. Sein Vater war ihm egal. Seine ganze Kindheit über musste er dabei zusehen, wie dieser gegen sich selbst Schach gespielt und dabei die Figuren mit dem Mund bewegt hatte. Er war sehr geschickt darin gewesen. Im Übrigen, hat Phébus erklärt, hatte er jeden Satz mit »und matt« beendet.
    Ich war schon früh ein Duckmäuser, fuhr er fort, die anderen schämten sich nicht, es mir heimzuzahlen. Dennoch habe ich es geschafft, dreimal zu heiraten. Meine erste Frau hat zügig die Scheidung eingereicht, weil die Ehe nicht vollzogen wurde. Das stimmt so nicht ganz, aber ich habe nicht versucht, sie zu halten. Die zweite verdrückte sich unter der Anklage sexueller Misshandlung – nicht die Misshandlungen, die ich ihr zugefügt hätte, sondern die ich von ihr verlangt habe. In gewisser Weise war ich ein Gewohnheitstäter. Der Richter verurteilte mich zu einer Therapie in einer speziellen Einrichtung. Dort lernte ich Dana kennen, meine letzte Frau. Sie nutzte ihre Stellung als Ärztin aus und spritzte sich dreimal am Tag die Medikamente, die für die Patienten vorgesehen waren. Ich liebte diese Frau, sie war sehr kompetent in ihrem Fach, wenn auch zu sprunghaft, um in aller Ruhe die Karriereleiter zu einer Stufe emporzuklettern, auf die sie ohne Weiteres hätte gelangen können. Nach zwei Jahren gemeinsamen Lebens verkündete sie, dass sie keine Kinder haben wollte. Ich erwiderte, dass es nie wirklich zu meinen Plänen gehört habe, Kinder zu zeugen, dass für mich nur sie allein zähle. Eine große Last schien von ihr abzufallen. Noch am selben Abend planten wir eine zweite Hochzeitsreise, sie schlug als Ziel den Golf von Mexiko vor. Sobald wir die Visa hätten, wollten wir abreisen. Am nächsten Tag war sie tot. Sie hatte die Dosis verdoppelt.
    Bei ihr verhielt ich mich wie jeder »normale« Mann gegenüber seinem Objekt der Begierde. Anfangs kostete es mich Mühe. Ich war der Patient, der wieder in die richtige Bahn gelenkt werden musste. Dann aber schien sich mein Wesen zu verändern. Wirklich. Ich war Phönix, nicht unfähiger als jeder andere.
    Seit mehreren Jahren lebe ich allein. Ich gehe zu Prostituierten. Zwei, um genau zu sein. Immer zu denselben. Sie kennen meine Erwartungen ganz genau. Zu wechseln gefällt mir vielleicht am wenigsten – noch vor dem Aspekt der Käuflichkeit. Ich brauche einen festen Rahmen. Keine Veränderungen. Ysé, alles sagt mir, dass Sie der Mensch sind, den ich suche, den ich immer gesucht habe. Davon bin ich so überzeugt, dass mir der Weg zur angegebenen Adresse wie eine einfache Formalität vor dem großen Sprung vorkommt.
    Ich brauchte einige Zeit für die Lektüre. Ich bin verblüfft. Die Schilderung seiner Erfahrungen mit Frauen ist nicht gerade beruhigend, und ich fühle mich nicht zur Therapeutin berufen. Harry entgegnet, dass eine farblose Person uns schnell verlassen würde. Dass Phébus uns allem Anschein nach in unbekannte Gefilde führen wird. Dieses neue

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