Ich schenk dir was von Tiffany's
Frankfurter Buchmesse kennengelernt. Ethans Freund Brian, der früher an derselben Universität unterrichtet hatte wie er, war inzwischen ein sehr erfolgreicher und angesehener Romanautor. Im Herbst des letzten Jahres hatte Brian ihn schließlich überzeugt, dass er sich keiner Vernachlässigung schuldig machte, wenn er sein Töchterchen drei Tage bei ihren Großeltern ließ, während die beiden Freunde nach Frankfurt reisten.
«Und eigentlich ist es ja eine Geschäftsreise», hatte Brian ihn beruhigt. «In diesem Jahr sprechen wir über mein Buch, aber nächstes Jahr geht es dann um deins. Vielleicht inspiriert die Buchmesse dich ja so, dass du endlich den Arsch hochkriegst und den lang erwarteten, bedeutenden britischen Roman schreibst», hatte Brian scherzhaft auf Ethans schlummernde Ambitionen angespielt. «Natürlich wird er nicht so bedeutend wie mein eigener, aber auf der Kandidatenliste für den Booker-Preis gibt es bestimmt für uns beide ein Plätzchen.»
Dagegen hatte Ethan nichts einwenden können, und er entschied sich, mitzufahren. Allerdings gab er sich keinerlei Illusionen hin, was die Auswahlliste für irgendeinen Literaturpreis anging, mochte es nun der Booker-Preis oder irgendein anderer sein.
Und dann, am zweiten Tag der Buchmesse, kam sie auf die beiden Freunde zu: Eine blonde Frau, keine klassische Schönheit, aber ihr sicheres Auftreten und ihre tadellos gepflegte Erscheinung waren beeindruckend.
Ethan hatte schon einige Male mit ihr Blickkontakt gehabt, während Brian und er an den Ständen herumstöberten, und ihre ruhige Selbstbeherrschung faszinierte ihn. Anfangs mutmaßte er, sie sei vielleicht einer von Brians zahlreichen Fans, aber aus der höflichen und doch vertrauten Unterhaltung der beiden schloss er bald, dass sie sich schon bei ähnlichen Veranstaltungen begegnet waren. Wie sich herausstellte, war Ms. Ryan ebenfalls in der Buchbranche tätig, als Cheflektorin eines großen Londoner Verlags. Und schon saßen sie zu dritt beim Lunch, und Ethan fand heraus, dass sie in der Nähe von Teddington lebte, nicht weit von seinem Haus in Richmond. Kurz darauf gingen sie zu zweit essen, erst in Frankfurt und dann zu Hause in London. Ethan genoss ihre Gesellschaft und das angeregte Gespräch mit ihr. Sie schätzten beide gute Literatur und Kunst allgemein, und Ethan bewunderte die Zielstrebigkeit, mit der Vanessa ihre Karriere aufgebaut hatte und mit der sie sich gegen große Konkurrenz behauptete. Vanessa wollte die berühmtesten und besten Autoren für ihren Verlag gewinnen und erzählte Ethan lachend, ursprünglich habe sie Brian und ihn auf der Frankfurter Buchmesse angesprochen, weil sie vorgehabt hatte, Brian für ihren Verlag abzuwerben.
Vanessa war ganz anders als Jane – so zielstrebig und ehrgeizig, während Jane einen recht entspannten Lebensstil gepflegt hatte. Ethan war selbst überrascht gewesen, dass Vanessa ihn so fasziniert hatte und er sich dann sogar in sie verliebte. Manchmal schwirrte ihm der Kopf, wenn sie ihr detailliertes Wissen über Reisen, Essen oder Wein ausbreitete, und oft war er baff, wenn er sah, mit welchem Selbstvertrauen sie alles anpackte. Ihre Selbstsicherheit hatte er von Anfang an attraktiv gefunden, doch außerdem besaß Vanessa eine geheimnisvolle Seite, die ihn erst recht anzog.
Trotzdem hatte er fast sechs Monate gewartet, bevor er sie Daisy vorstellte, denn dass er selbst bereit für einen Neuanfang war, hieß ja noch lange nicht, dass auch seine Tochter damit einverstanden war.
Ethan hatte es so eingerichtet, dass die erste Begegnung zwischen den beiden an einem Samstag nach Daisys wöchentlichem Ballettunterricht stattfand. Er hatte sein Bestes getan, um dieses große Ereignis möglichst locker zu gestalten und Daisy in den Mittelpunkt zu stellen, aber seiner klugen, sensiblen Tochter konnte er nichts vormachen. Als die drei eisschleckend an der Themse entlangspazierten, warf Daisy ihm genau den Blick zu, mit dem ihre Mutter ihn immer angesehen hatte. Ethan hatte ihn den «schrägen Blinzelblick» getauft. Seine Tochter setzte ihn oft ein, wenn er schlecht getarnte Bestechungsversuche unternahm, um sie zu den Hausaufgaben zu bewegen, oder wenn er sie beschwatzen wollte, früher als üblich ins Bett zu gehen.
Doch mit der Zeit hatte Daisy sich an Vanessa gewöhnt. Vor allem genoss sie das Vorlesen, denn sie hörte mit Vorliebe Geschichten. Ganz besonders mochte sie Vanessas Akzent, in dem sich ihre irischen Wurzeln und die anderthalb
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