Ich schenk mir taeglich rote Rosen
den Himmel.
Ich wußte, daß transzendentale Meditation für meine Tochter etwas Faszinierendes hatte.
Sie hatte mich sogar einmal zum Lunch in den GOLDENEN TEMPEL DER ZUCCHINI
ausgeführt, eines der Restaurants mit naturreinen Nahrungsmitteln, wo alles entweder frisch gepreßt oder vor den Augen des Kunden gewachsen war. Wir bestellten organischen Bohnensprossensalat zwischen zwei hydroponischen Tomaten. »Ich glaube, ich werde jetzt mal ungeheuer über die Stränge schlagen«, sagte ich, »und mir noch ein Preiselbeerbier bestellen.«
Ein Mann mit Turban erschien an unserem Tisch und hob das Bestellte hoch über den Kopf wie einen Gralskelch. Ich fühlte mich auch wie geheiligt bis zu dem Moment, in dem ich feststellte, daß mein Lunch 1200 Kalorien enthalten hatte.
Meditiert aber hatte ich noch nie. Das heißt doch, einmal, als ich für einen Dior-Schal 30
Dollar bezahlte, befand ich mich in leicht medialem Zustand. Doch so wie die Dame auf dem Titelblatt nicht. Auf der Rückseite des Schutzumschlags hieß es dann, jeder müsse sich einen organisch-betonten Mutterschoß der Stille schaffen, in dem er geistig wachsen und sein Leben neu überdenken könne. »Inneren Frieden«, stand da, »erreicht nur, wer das eigene Ich beherrscht.«
Mein Schicksal lag in meiner Hand, ich konnte mein Ich beherrschen lernen, wenn ich täglich einige Minuten erübrigte, um ein bestimmtes Wort zu wiederholen. Ein solches Wort hieß ein Mantra.
Beim Abendessen blieb die Gabel meines Mannes auf halber Höhe über einer Schüssel grünem Schleim in der Schwebe.
»Was ist das denn?« fragte er.
»Passierter Salat. Ich habe die falsche Vorsatzscheibe vor die Küchenmaschine geschraubt.
Wenn du ihn mit dem Löffel ißt, geht’s leichter.«
»Weißt du eigentlich, wie lange es her ist, seit wir irgend etwas im Stück gegessen haben?
Ich kriege überhaupt keine kompakte Nahrung mehr zu Gesicht. Und wenn ich sie schon nicht zu Gesicht kriege, könntest du an dieses Zeug wenigstens ein Etikett machen. Es gibt ein Bundesstaatsgesetz, wonach alle Nahrungsmittel etikettiert sein müssen!«
»Du brauchst mich nicht anzuschreien.«
»Einer muß ja schreien in diesem Haus. Abend für Abend liegt der ganze Tisch voller Schnittmuster, überall tritt man auf Nadeln. Tag und Nacht schwirren Küchenmaschinen.
Gespenstisches Zeug kugelt im Kühlschrank herum. Ich werd’ hier noch wahnsinnig.«
Während ich so dasaß und mir sein Gemecker anhörte, kam ich zu einer Erkenntnis. Er war nicht langmutig und freundlich.
Er war nicht sanft. Er litt nicht, ohne zu klagen. Er war auch nicht häuslich und hatte keine schmale Taille.
UND DABEI LAGEN UNSERE GEBURTSTAGE NUR 48 STUNDEN
AUSEINANDER. WIR WAREN UNTER DEM GLEICHEN STERNBILD GEBOREN!
Auf dem Weg ins Bett hob ich das Buch WEIT FORT IM FERNEN OSTEN vom Boden
auf und knipste die Nachttischlampe an. Es war Zeit, aus seinem Tierkreis zu springen und ein bißchen Selbstverwirklichung zu betreiben. Ich würde meinen inneren Frieden schon finden, und wenn ich ein paar Leuten das Genick brechen mußte!
Selbstbewußtsein, Marke Eigenbau
Seit Jahren beobachte ich folgendes Phänomen: Eine Mutter braucht sich nur einen Moment hinzusetzen, um ihre Füße auszuruhen, schon wird über ein unsichtbares Netz per Leuchtschrift in die Welt hinausgefunkt: Mutter sitzt! Auf, auf! Scheucht sie hoch! Sofort klingelt es an der Tür, Kinder stürzen herein, wesentliche Teile ihrer Anatomie, die verletzt sind, mit den Händen umfassend. Der Hund kratzt wie verrückt an irgendeinem Bein. Der Ehemann ruft ungeduldig nach Beistand. Das Telefon klingelt zum fünfzehnten Mal. Ein Topf kocht über.
Ein Summer ertönt. Überall im Haus laufen Wasserhähne, und eine Stimme kreischt: »Wart nur, ich sag’s Mami.«
Das Phänomen ›Mutter sitzt‹ ist wahrscheinlich einer der 55 Gründe, warum sich das Meditieren bei Müttern nie so recht eingebürgert hat. Und dabei sind sie es doch, die es am nötigsten hätten.
Ich weiß nur eines: Ich bin bestimmt die einzige Frau der Welt, die Frieden und inneres Gleichgewicht anstrebt und dabei vor lauter Brüllen Krampfadern im Hals entwickelt.
›Inneres Gleichgewicht‹ ist ein Problem für sich. Hatte es nicht geheißen, dazu brauche man ein Mantra, ein ständig wiederholtes Wort, das einen auf die Ebene der Ruhe erhob und einem unbegrenzte Kraft verlieh? Ich rief meine Tochter in der Schule an. »Hast du damals beim Kauf des Buchs WEIT FORT IM FERNEN OSTEN auch gleich
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