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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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schon ein paar Jahrhunderte dort, spendete Sicherheit und Geborgenheit, und man konnte darauf vertrauen, dass er noch eine Weile da stehen würde. Ein Inbild der Stabilität in unserem momentan so chaotischen Leben. Ein Rotkehlchen hüpfte von Ast zu Ast, anscheinend ganz aufgeregt, dass es den ganzen Baum für sich hatte, wie ein Kind, das für sich alleine Reise nach Jerusalem spielt. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir die Zeit genommen, einen Baum mit einem Vogel genauer zu betrachten, und selbst wenn, wäre mir nie der Vergleich mit dem Kind und der Reise nach Jerusalem in den Sinn gekommen. Zoey und Laura hätten inzwischen bestimmt ernsthaft Probleme mit mir, ich hatte ja selbst schon welche. Beim Gedanken an meine Freundinnen bekam ich schrecklich Heimweh.
    »Ich fühle mich hier überhaupt nicht wohl, Mum«, sagte ich schließlich und merkte auf einmal, dass meine Stimme zitterte und ich den Tränen nahe war. »Können wir uns nicht lieber eine Wohnung in Dublin suchen? Bei unseren Freunden?«
    Mum sah mich an und lächelte freundlich. »Ach, hier wird es uns gutgehen. Alles wird gut.«
    Es freute mich, dass sie das sagte, denn genau das wünschte ich mir von ihr: Kraft, Zuversicht, Initiative.
    »Aber wie lange bleiben wir denn? Wie lautet der Plan? Wo gehe ich im September in die Schule? Kann ich in St. Mary’s bleiben?«
    Jetzt wandte Mum den Blick ab, lächelte zwar weiter, schaute dabei aber aus dem Fenster. »Hier wird es uns gutgehen. Alles wird gut.«
    »Ich weiß, Mum, das hast du grade schon gesagt«, erwiderte ich, frustriert, aber bemüht, freundlich und verständnisvoll zu klingen. »Aber wie lange wollen wir bleiben?«
    Sie schwieg.
    »Mum?« Nun klang mein Ton schon deutlich härter.
    Leider bin ich nur dann ein netter Mensch, wenn ich mir Mühe gebe, und jetzt lag mir etwas richtig Gemeines auf der Zunge – etwas, was ich nicht mal aufschreiben möchte –, aber gerade, als ich mich zu Mum beugte und den Mund aufmachte, klopfte es leise an der Tür, und Rosaleen erschien.
    »Ach, hier seid ihr beiden!«, rief sie, als hätte sie schon überall nach uns gefahndet.
    Hastig zog ich mich zurück und setzte mich wieder aufs Bett. Rosaleen starrte mich missbilligend an, als könnte sie Gedanken lesen. Doch dann wurde ihr Gesicht freundlicher, und sie trat mit einem silbernen Frühstückstablett ins Zimmer, in einem neuen Hauskleid, unter dem ihr fleischfarbener Unterrock hervorschaute.
    »Ich hoffe, du hast dich letzte Nacht schön ausgeruht, Jennifer.«
    »Ja, sehr schön«, antwortete Mum, lächelte Rosaleen an, und ich ärgerte mich, weil sie es mal wieder schaffte, anderen etwas vorzumachen. Nur nicht mir.
    »Großartig. Ich hab dir Frühstück gemacht, nur ein paar Häppchen, damit du bei Kräften bleibst …« In diesem Stil plapperte Rosaleen weiter, während sie im Zimmer herumwuselte, Möbel zurechtrückte, Stühle verschob, Kissen aufschüttelte. Faszinierend.
    Ein paar Häppchen, hatte sie gesagt. Von diesen paar Häppchen wären locker hundert Leute satt geworden. Das Tablett war schwer beladen: kleingeschnittenes Obst, Müsli, ein großer Stapel Toast, zwei gekochte Eier, ein kleines Schälchen mit etwas, was aussah wie Honig, und noch zwei weitere Schälchen mit Marmelade, eine davon eindeutig Erdbeer. Dazu eine Kanne Tee, ein Krug Milch, eine Zuckerschale, alle möglichen Sorten Besteck und Servietten. Für einen Menschen wie meine Mum, deren Frühstück für gewöhnlich aus einem Müsliriegel und einer Tasse Espresso bestand – und das auch nur, weil sie sich dazu verpflichtet fühlte –, war das eine Menge Arbeit.
    »Wunderbar«, sagte Mum zu dem Tablett, das auf einem kleinen Holztisch vor ihr stand, ohne Rosaleen anzusehen. »Danke.«
    Ich fragte mich, ob Mum begriff, dass sie all das, was da vor ihr stand, wirklich essen sollte und dass es sich keineswegs
     um eine Kunstinstallation handelte.
    »Sehr gern geschehen. Gibt es denn noch irgendwas, was du gerne hättest?«
    »Sie hätte sicher gern unser Haus und die Liebe ihres Lebens zurück …«, antwortete ich sarkastisch an Mums Stelle. Eigentlich zielte der Sarkasmus gar nicht auf Rosaleen, ich wollte sie nicht kränken. Ich ließ einfach nur Dampf ab. Aber ich glaube, Rosaleen nahm meinen Kommentar persönlich, denn sie wirkte richtig geknickt und – ach, keine Ahnung, ob sie beleidigt, verlegen oder wütend war. Jedenfalls musterte sie Mum aufmerksam, um zu sehen, ob meine Antwort sie womöglich aus der

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