Ich schreib dir morgen wieder
erkannte ich an der Atmosphäre, dass es Schwester Ignatius war.
»Guten Morgen, Schwester.«
Ich lugte um die Ecke, sah aber nur Rosaleens Rückseite. Das heutige Teekleid war von Fyffes gesponsert und mit Bananenbüscheln dekoriert. Der Rest von Rosaleen quetschte sich so in den Türspalt, als wollte sie um jeden Preis verhindern, dass Schwester Ignatius ins Haus sehen konnte. Hätte es nicht in diesem Augenblick angefangen zu regnen, hätte Rosaleen die Nonne bestimmt nicht hereingelassen. Aber dann standen die beiden Frauen in der Diele, und Schwester Ignatius schaute sich um. Unsere Blicke trafen sich, ich lächelte ihr verstohlen zu und verschwand rasch wieder im Schatten.
»Kommen Sie doch rein, wir gehen in die Küche«, sagte Rosaleen mit einer Dringlichkeit, als drohte die Dielendecke über ihnen einzustürzen.
»Nein, nein, nur keine Umstände, ich bleibe nicht lang«, winkte Schwester Ignatius ab und blieb, wo sie war. »Ich wollte nur kurz vorbeikommen und schauen, wie es Ihnen geht. In den letzten Wochen hab ich Sie gar nicht gesehen und auch nichts von Ihnen gehört.«
»O ja, hm, tut mir leid. Arthur war schrecklich beschäftigt mit der Arbeit am See, und ich musste … ich musste hier für Ordnung sorgen. Aber wollen Sie nicht doch mit in die Küche kommen?« Sie sprach mit gedämpfter Stimme, als würde ein Baby im Nebenzimmer schlafen.
Raus damit, Rosaleen, du versteckst hier eine Mutter und ihr Kind.
In Mums Zimmer wurde deutlich hörbar ein Stuhl über den Boden geschleift.
Schwester Ignatius blickte auf. »Was war denn das?«
»Ach, nichts. Jetzt beginnt doch bald die Honigsaison, nicht wahr? Kommen Sie in die Küche, kommen Sie, kommen Sie.«
Sie versuchte Schwester Ignatius am Arm aus der Diele zu ziehen.
»Wenn das Wetter hält, will ich nächsten Mittwoch den Honig schleudern.«
»So Gott will, wird es sicher halten.«
»Wie viele Gläser soll ich Ihnen denn diesmal bringen?«
In Mums Zimmer fiel etwas krachend auf den Boden.
Schwester Ignatius blieb stehen, aber Rosaleen zog sie unerbittlich weiter und laberte dabei ohne Punkt und Komma, lauter leeres Geschwätz. Plapper, plapper, plapper. Soundso ist gestorben. Soundso ist krank geworden. Mavis ist in Dublin von einem Auto angefahren worden, als sie ihrem Neffen John zum dreißigsten Geburtstag ein Hemd kaufen wollte, und war tot. Sie hatte das Hemd schon gekauft und alles. Sehr traurig, denn ihr Bruder ist voriges Jahr an Darmkrebs gestorben, und jetzt ist keiner mehr übrig von der Familie. Ihr Vater ist ganz allein und musste ins Pflegeheim ziehen. Die letzten Wochen war er krank. Er sieht auch nicht mehr so gut wie früher, dabei war er immer ein exzellenter Dartspieler. Und Johns dreißigster Geburtstag war schrecklich traurig, denn alle waren fix und fertig wegen Mavis. Plapper, plapper, plapper, alles Blödsinn. Kein Wort über Mum und mich. Wieder mal der Elefant im Zimmer.
Als Schwester Ignatius wieder weg war, lehnte Rosaleen einen Moment die Stirn an die Tür und seufzte. Dann richtete sie sich wieder auf, drehte sich um und spähte argwöhnisch zum Treppenabsatz hinauf. Ich zog mich schnell zurück, und als ich mich wegduckte, sah ich, dass die Tür zu Rosaleens Schlafzimmer offenstand. Ein Schatten huschte vorüber.
Beim Frühstück hielt ich es nicht aus, bei Rosaleen und Arthur am Tisch zu sitzen. Jeder Ort auf der ganzen Welt wäre mir lieber gewesen als diese Küche mit dem Brutzelgeruch aus der Pfanne, von dem mir nur noch schlecht wurde. Aber jetzt wusste ich genau, was ich als Nächstes tun würde. Ich ging in Mums Zimmer.
»Mum, komm mit mir nach draußen, bitte.« Ich nahm ihre Hand und wollte sie ganz sanft aus ihrem Schaukelstuhl ziehen.
Aber sie blieb sitzen wie ein nasser Sack.
»Bitte, Mum. Komm mit mir an die frische Luft. Wir können einen Spaziergang machen, im Wald, bei den Seen, wir können die Schwäne beobachten. Ich wette, du bist noch nie richtig in der Gegend rumgelaufen. Komm! Es gibt auch ein wunderschönes Schloss hier und jede Menge hübsche Spazierwege. Sogar einen Garten mit einer Mauer drum herum.«
Auf einmal sah sie mir direkt ins Gesicht, ihre Pupillen wurden ganz groß, und sie musterte mich. »Der geheime Garten«, sagte sie leise und lächelte.
»Ja, Mum. Warst du schon mal dort?«
»Rosen.«
»Ja, da gibt es viele Rosen.«
»Mmmm. Hübsch«, sagte sie leise und fügte hinzu: »Hübscher als Rose.« Ich wunderte mich, warum sie so nuschelte oder auf einmal nicht
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