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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
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jedem beliebigen Mädchen der Stadt zusammen sein. Ich hasse dich. Ich bete jede Nacht, dass du auf möglichst bizarre Weise kastriert wirst.« Ich zeigte zur Tür. »Also verschwinde.«
    Sein Mund zuckte. Er verkniff sich ein Lächeln.
    Oje. Ich war eher auf »verrückte, hasserfüllte Ex« aus gewesen als auf »ist sie nicht süß, wenn sie wütend ist?«
    »Fühlst du dich besser, nachdem du das losgeworden bist?« Er ging um den Tisch herum und zog einen Stuhl hervor. »Mein Vater hat für eine Stunde bezahlt. Warum setzen wir uns nicht beide?«
    Ich seufzte und ließ mich auf einen Stuhl fallen. »Na gut. Was willst du?«
    Er faltete die Hände auf dem Tisch. »Hast du von dem Mord im King’s Courtyard gehört?«
    »Wer hat nicht davon gehört? Es ist doch überall in den Nachrichten. Meine Mom hat Angst, dass jetzt alle Touristen die Stadt verlassen.«
    Er nickte zustimmend. »Jeder in der Stadt ist beunruhigt. Vor allem mein Vater. Er will, dass die Sache so schnell wie möglich aufgeklärt wird …« Er ließ den Satz ins Leere laufen, als wüsste ich genau, was er damit sagen wollte.
    »Und?«, fragte ich.
    »Und ich bin hier, um dich um Hilfe zu bitten.«
    Ich lachte laut auf. Nach allem, was er getan hatte, saß Justin jetzt hier und bat mich um Hilfe. Er sollte sich lieber zum Teufel scheren.
    »Bevor du sagst, ich solle mich lieber zum Teufel scheren«, sagte er, »hör einfach mal zu.«
    Eines musste ich ihm lassen: Er kannte mich ziemlich gut.
    »Die Polizei hat noch keine Einzelheiten an die Presse weitergegeben, weil sie zuerst mit den Eltern des Mädchens sprechen will. Aber ich kann dir sagen, was die Polizei meinem Vater erzählt hat.«
    Als er von den Eltern sprach, fiel mir wieder ein, wie jung das Mordopfer war. Ich spürte ein schrecklich dumpfes Gefühl in der Magengrube.
    Justin atmete tief durch. »Ihr Name war Victoria Happel. Sie war achtzehn, eine Touristin aus Boston, die hier ein paar Tage verbringen wollte. Sie hat das Zimmer allein gemietet. Man versucht herauszufinden, ob sie sich hier mit jemandem getroffen hat.« Er machte eine Kunstpause. »Sie wurde in ihrem Motelzimmer in den Kopf geschossen.«
    Ich spürte einen Kloß im Hals. Ich war nur zwei Jahre jünger als sie. Vielleicht war das ihr erster Urlau b ohne Eltern gewesen. Vielleicht war sie mit ihrem Freund oder ein paar Freundinnen unterwegs gewesen und hatte einfach Spaß haben wollen, schwimmen, in der Sonne liegen und das Leben genießen, bevor im Herbst das College begann. Sie hatte ja keine Ahnung, dass sie das College nie zu Gesicht bekommen würde. Was war geschehen?
    Justin redete immer noch, deshalb schüttelte ich kurz meinen Kopf, um meine Gedanken abzuschütteln.
    »Die Motelgäste berichteten von einem lauten Knall um Mitternacht, aber niemand ging der Sache nach. An diesem Wochenende war viel los, laute Musik, ein Feuerwerk, außerdem waren Betrunkene unterwegs, die die Türen knallten. Am nächsten Morgen klopfte das Zimmermädchen an, und als niemand antwortete, ging sie hinein, um das Zimmer zu reinigen. Dort fand sie Victoria. Tot.«
    Das Mädchen tat mir so leid. »Die Polizei arbeitet doch an dem Fall, oder?«
    »Natürlich. Aber sie hat bisher kaum Anhaltspunkte.«
    Ich lehnte mich zurück. Es war seltsam, ein so ernstes, sachliches Gespräch mit Justin zu führen. Und es war die längste Unterhaltung, die ich mit ihm seit letztem Frühling führte, seitdem diese eine Vision alles zerstört hatte.
    Eines Abends im April wollte Justin mich zum Essen abholen. Er sagte, er habe eine Überraschung für mich. Als er ins Haus kam, sah er so gut aus. Ich fasste ihn am Revers seiner Lederjacke, um ihn näher an mich zu ziehen. Doch bevor meine Lippen seine berührten, hatte ich ein Bild vor Augen, das mich innehalten ließ.
    Ich sah Tiffany Desposito, die spielerisch nach genau dieser Jacke griff und sie ihm auszog. In meiner Version war Justin eindeutig betrunken, er schwankte grinsend hin und her. Ich sah, wie Tiffany ihn an sich zog und wild küsste. Ich sah, wie sie ihn auf eine Couch stieß. Ich sah, wie sie sich auf ihn setzte.
    Ich schrie.
    Dann gab ich Justin eine Ohrfeige. Er war angesichts meines Ausbruchs völlig verwirrt. Ich boxte wieder und wieder gegen seine Brust und brüllte: »Wie konntest du?«
    Ich wollte ihn zerfetzen, und er hätte es zugelassen, ohne sich im Geringsten zu verteidigen. Aber Perry hatte meinen Schrei gehört, kam die Treppe hinuntergerannt, zog mich von Justin weg und

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