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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
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schlimmsten Fall war es ein gestrandetes Delfinbaby, das im Sterben lag. So etwas konnte ich nicht mit ansehen. Ich blieb stehen, aber Gabriel zog mich weiter durch die Menschenmenge, bis auch wir sehen konnten, was dort am Ufer lag.
    Es war kein Delfin.
    Viel schlimmer. Es war ein Mensch.
    In mir schrie etwas, ich solle mich umdrehen, wegschauen, weglaufen, aber meine Muskeln gehorchten mir nicht. Ich konnte nur auf die Leiche starren. Sie war weiblich. Ihr Gesicht war mit Seetang bedeckt und sie trug Jeans und T-Shirt. Ihr Körper war verfärbt und aufgedunsen.
    Ich musste herausfinden, wer sie war. Während alle anderen sie nur anstarrten, kniete ich nieder und streifte ihr den Seetang aus dem Gesicht.
    Ich sitze am Strand und blicke auf die schwarze Weite des Ozeans. Es muss mitten in der Nacht sein, denn es ist dunkel und menschenleer. Aber ich spüre, dass sich etwas bewegt. Ich drehe mich um und sehe einen Schatten. Jemand kommt auf mich zu.
    »Hallo«, rufe ich.
    Wer auch immer es ist, antwortet nicht, sondern kommt nur noch schneller auf mich zu. Plötzlich habe ich Angst. Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter.
    Instinktiv springe ich auf und renne Richtung Uferpromenade. Der Schatten verfolgt mich, kommt näher. Die Treppe ist zu weit weg, das werde ich nie schaffen. Ich verschwinde unter der Promenade und hoffe, in der Dunkelheit unsichtbar zu sein.
    Doch der Schatten folgt mir. Ich krieche tiefer unter die Promenade. Das Ganze ist wie ein perverses Versteckspiel. Mein Atem ist rau, viel zu laut, er wird mich verraten. Ich versuche, die Luft anzuhalten, aber die Angst ist zu groß.
    Nach einer Weile blicke ich mich um, aber ich sehe den Schatten nicht mehr. Hat er aufgegeben? Fast glaube ich, der Albtraum sei vorbei, doch dann packt mich jemand von hinten, legt seine Hände um meinen Hals. Ich bekomme keine Luft –
    »Clare!«
    Ich öffnete die Augen. Gabriel zerrte mich von der Leiche weg, legte mich in den Sand und setzte sich neben mich.
    »Alles okay?«
    »Ich habe ihren Tod gesehen. Sie wurde unter der Promenade erwürgt. Ich konnte nicht erkennen, wer es getan hat.« Ich sah ihn an. »Wer ist sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sieh nicht hin.«
    Ich stand auf und schleppte mich zurück zu der Leiche. Zuerst bemerkte ich die abgekauten Fingernägel, dann die langen braunen Haare. Dann sah ich ihr ins Gesicht und erkannte sie sofort.
    Joni. Es war Joni. Victorias beste Freundin. Die zu einer Séance zu uns gekommen war. Die ich gezwungen hatte, bei der Polizei auszusagen. Die schreckliche Angst vor Victorias Freund Joel hatte. Jetzt war sie tot.
    Plötzlich schlug mir der Geruch entgegen. Ich stolperte noch ein paar Schritte rückwärts, bevor sich der Inhalt meines Magens in den Sand ergoss. Gabriel streichelte meinen Rücken und hielt mir mit der anderen Hand die Haare aus dem Gesicht, bis es mir wieder etwas besser ging.
    »Joel muss sie umgebracht haben«, stieß ich hervor. »Niemand hier kannte Joni. Sie war nicht einmal zur gleichen Zeit wie Victoria hier.«
    »Joel ist aber weg. Weil das Mädchen aus Boston ihn wegen des gestohlenen Autos nicht anzeigen wollte, mussten wir ihn gehen lassen.«
    »Das heißt nicht, dass er sie nicht ermordet hat.«
    »Aber er war nicht hier, als sie gestorben ist.«
    »Woher weißt du das? Vielleicht hat er die Stadt nicht verlassen. Oder er ist zurückgekommen.« Mit wachsender Wut wurde auch meine Stimme lauter. »Du und dein Vater habt Perry im Visier und wollt niemand anderen in Betracht ziehen, selbst wenn die Spuren darauf hindeuten!«
    »Die Spuren deuten auf deinen Bruder hin!«, schrie Gabriel.
    Ich konnte nicht glauben, dass er so kurzsichtig war und Joel nicht einmal als Täter in Betracht zog. Wütend ballte ich die Fäuste und stellte mich ganz dicht vor Gabriel. »Hör gut zu. Aus uns wird nichts. Niemals. Und ich werde auch nicht mehr mit dir zusammenarbeiten. Ab jetzt arbeite ich nämlich gegen dich.«
    Ich rannte davon und rief ihm über die Schulter zu: »Schließlich muss jemand den wahren Mörder finden!«
    So schnell ich konnte lief ich nach Hause – es wäre ohnehin besser gewesen, wenn ich von vornherein dort geblieben wäre. Mom wartete ganz allein auf den Anruf, während ich am Strand mit dem Feind knutschte. Ich war wütend auf Gabriels Sturheit, aber genauso auf mich selbst und diesen Kuss. Zu allem Übel war das Tattoo der Beweis, dass auch Gabriel ein Geheimnis hatte. Ich konnte ihm nicht trauen. Ab jetzt war ich auf mich allein

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