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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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hinterher. Und doch hatte er das Gefühl, nicht der Jäger, sondern der Gejagte zu sein. Er wusste, er musste es heute vollenden.

72
    Der Duft nach Glühwein und Rostbratwürsten stieg verlockend in Saras Nase. Sie überquerte die Nymphenburger Straße und steuerte auf den ersten Würstchenstand am Rotkreuzplatz zu.
    Das Wurstbrötchen in der Hand, marschierte sie zügig zu der Adresse auf der Visitenkarte. Sie biss in die Wurst und genoss den würzigen Geschmack auf der Zunge. Gestern Pizza bei Michael, heute Bratwurst – gesund, Frau Neuberg …
    An der Kreuzung zur Landshuter Allee bog sie rechts ab, genau dort, wo sich die Hauptstraße gabelte und ein Zweig der Straße über die nahe gelegenen Bahngleise führte. Der andere Teil der Straße verlief still und von der großen Überführung verdeckt parallel dazu und endete an der nächsten Kreuzung. Sie überprüfte die Hausnummern an den von Abgasen schmutzig verfärbten Fassaden. Noch fünf Häuser. Endlich stand sie vor dem Reisebüro. Das einladende Schaufenster versprach Traumurlaube in fernen, warmen Ländern, in denen die Sonne strahlte und die Menschen lachten.
    In dem winzigen Verkaufsraum telefonierte eine Frau und las dabei von dem vor ihr stehenden Bildschirm ab. Ihr gegenüber saß ein Mann und blätterte in einem Katalog. Sara suchte den Raum nach dem Mann vom Vorabend ab.
    »Na, wenn das nicht die Dame von gestern ist.« Die leise Stimme erschreckte Sara mehr als die Hand, die sich wie eine Kralle in ihrer Schulter festhakte. Sie verschluckte sich an dem letzten Bissen ihrer Semmel. Die Finger an ihren Hals gepresst, hustete und würgte sie, spürte, wie jemand kräftig auf ihren Rücken klopfte. Schließlich löste sich der Krümel, und sie drehte sich keuchend um.
    »Sind Sie bescheuert?« Eine weitere Hustenattacke unterbrach sie. Sie räusperte sich mehrmals, um den Reiz zu unterdrücken. »Sie können sich doch nicht so anschleichen!«
    »Entschuldigung«, murmelte er. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    Sara schüttelte den Kopf. Was war das bloß für ein Typ? Jede Begegnung eine Katastrophe. Wie er dastand, mit seiner Sonnenbrille und der Wollmütze, den Kragen des Anoraks bis zum Mund hochgezogen, als wolle er Werbung für einen Winteraktivurlaub machen.
    »Ich komme wegen dem Handy.« Sie zog das Telefon aus der Tasche und reichte es ihm. »Es ist kaputt. Sehen Sie selbst …Versuchen Sie, es anzuschalten.«
    »Natürlich.« Er nahm es und betrachtete es prüfend. »Ich melde das gleich meiner Versicherung. Wissen Sie was, kommen Sie kurz mit in mein Büro, dann können wir das sofort erledigen.«
    Sara nickte und bewegte sich auf die Tür des Reisebüros zu. Wieder spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.
    »Nicht durch das Ladenlokal.«
    Sie blickte ihn fragend an.
    »Toilettenumbau. Der Durchgang zum hinteren Büro ist versperrt. Wir müssen den Hintereingang nehmen, kommen Sie.« Er drehte sich um und ging zur Toreinfahrt. »Kommen Sie.«
    Sara zögerte, folgte ihm drei Schritte, blieb dann stehen. »Warum erledigen wir das nicht im Ladenlokal?«
    Er kam auf sie zu. Umfasste ihren Ellenbogen. »Weil die Versicherungsunterlagen im Hinterzimmer sind.«
    Mit einer energischen Bewegung riss sie ihren Arm los. »Hören Sie auf, mich anzufassen. Das hat mich gestern schon genervt!«
    Wieder packte er sie. Diesmal härter. Beugte sich vor. »Genervt? Ich dich?«
    »He!« Sie schubste ihn zurück, aber er ließ ihren Arm nicht los. Panisch blickte sie sich um, doch die Straße war menschenleer. Sie hörte ein Ratschen, dann fühlte sie etwas Kaltes, Spitzes in ihrer Nierengegend.
    »Schnauze«, zischte er durch zusammengepresste Zähne und zerrte an ihrem Arm. Sie verspürte einen stechenden Schmerz und krampfte sich stöhnend zusammen. Ein Messer? Hatte er sie gerade mit einem Messer verletzt? Was wollte er von ihr? Was … Fieberhaft versuchte sie zu verstehen, was gerade geschah, zu überlegen, was sie tun sollte. Sie torkelte neben ihm den Gehweg entlang, unfähig, zu reagieren. Er zog sie zum Hinterhof des Gebäudes und schubste sie unsanft in den düsteren Durchgang. Sie nahm den modrigen Geruch war, sah, wie er mit ihr auf eine Eisentür zusteuerte. Wo bringt er mich hin? Ist das eine Kellertür? Nicht in den Keller. Nicht da rein. Plötzlich wusste sie, dass sie auf keinen Fall durch diese Tür durfte, wenn sie überleben wollte. Sie löste ihren Arm mit einer ruckartigen Bewegung und schnellte gleichzeitig mit dem Oberkörper

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