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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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nach vorne, um sich dem Messer zu entziehen. Kaum war sie losgerannt, wurde sie so abrupt zurückgerissen, dass sie taumelte. Sie hörte, wie Stoff zerriss und etwas auf den Boden fiel. Dann fühlte sie seinen Griff an ihrem Arm, erbarmungslos wie ein Schraubstock, spürte das kalte Metall, das sich wieder schmerzhaft in ihre Seite bohrte. Seine Stimme war direkt neben ihrem Ohr, leise, gefährlich, voller Hass. »Wo willst du hin, Luder? Weißt du nicht, dass hier Endstation ist?«
    »Lass sie los, Carlo!«
    Valeskas Stimme durchschnitt die Luft wie ein Speer.
    »Jetzt!«
    Sein Griff ließ nach, die kalte Klinge zog sich zurück. Sie drehte den Kopf und sah den Lauf einer Pistole an seinem Kopf, hörte den Hass, der bei jedem Buchstaben in seiner Kehle vibrierte. »Lydia.«
    »Lauf, Sara. Lauf! Du bist die Nächste auf seiner Liste!«
    Wie von Sinnen rannte Sara aus dem Hof, den Gehweg entlang zur nächsten Querstraße, in das erste Geschäft, einen Weinladen. Am ganzen Körper zitternd, griff sie nach Jonas Handy, langte jedoch ins Leere. Die Tasche hing zerfetzt nach unten, das Handy war weg. Er musste die Manteltasche ausgerissen haben, als sie zu fliehen versuchte.
    Sie lief zum Tresen, an dem ein junger Mann Weingläser polierte. »Bitte, ich muss telefonieren!«
    Der Mann sah sie erstaunt an.
    »Ich bin überfallen worden.« Sie spürte seinen neugierigen Blick, als sie mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei wählte.

73
    Carlo warf die Tür ins Schloss und lehnte sich schwer atmend dagegen.
    Du hast mich mit einer Pistole niedergeschlagen.
    Er strich mit der Hand vorsichtig über die schmerzende Stelle. Sie fühlte sich feucht und geschwollen an. Er hielt die Hand vor sein Gesicht und sah Spuren von Blut. Aber es war nicht mehr frisch, die Wunde hatte aufgehört zu bluten. Du fühlst dich wohl stark mit der Waffe, trotzdem warst du wieder zu feige, die Sache zu Ende zu bringen. So wie damals, als ich hilflos am Boden lag und es für dich ein Leichtes gewesen wäre, mir das Messer ins Herz zu rammen. Das Messer, mit dem ich Sven getötet hatte. Das Messer, das für dich bestimmt war. Stattdessen bist du abgehauen. Wie heute. Du wirst dich nie ändern. Du wirst immer Opfer bleiben. Mein Opfer.
    Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich an den Computer. Er schaltete ihn an. Nichts geschah. Immer fester presste er den Knopf, drehte dann den Computer und überprüfte die Kabel. Plötzlich wurde ihm schlecht. Jemand hatte den Stecker herausgezogen. Carlo starrte darauf, und schlagartig verstand er.
    Lydia war hier gewesen. In seiner Wohnung! An seinem Computer!
    Wahrscheinlich war sie noch hier gewesen, als er vorhin … Sie hatte ihn gehört und den Stecker gezogen. Sich versteckt. Hier. Direkt vor seiner Nase. Er blickte sich um. Was hatte sie gefunden? Hatte sie Beweise weitergeschickt? Waren die Bullen bereits auf dem Weg? Sie hatte den Abschiedsbrief gelesen!
    Er hörte ihre Stimme, laut und deutlich, als stünde sie neben ihm. Lauf, Sara. Lauf! Du bist die Nächste auf seiner Liste!

74
    Lydia stupste das Handy mit dem Zeigefinger an der Ecke an. Es kreiste knirschend um sich selbst, blieb dann quer vor einem Bierdeckel liegen. Sie schnippte den Bierdeckel aus dem Weg und schubste das Handy noch einmal. Fester. Es drehte sich schneller und rutschte dabei gefährlich nahe an die Tischkante. Sie nahm es hoch, lächelte der Bedienung zu, die sie von der Theke aus beobachtete, und rief das Adressbuch auf.
    Daheim
    Mama
    Oma
    Papa
    Als sie es auf dem Gehsteig vor dem Reisebüro gefunden hatte, war sie sich sicher gewesen, dass Sara es im Handgemenge mit Carlo verloren haben musste. Daheim, Mama, Oma, Papa .
    Sie seufzte und wählte die erste Nummer.
    »Die Rufnummer ist derzeit …« Sie brach die Verbindung ab und drückte auf Papa .
    »Sie haben die Mailbox von Ronald Neuberg … «
    Sie legte auf und platzierte das Handy neben die leere Cappuccinotasse. Also doch von Sara. Wohl das Handy ihres Sohnes. Sie holte ihr eigenes aus der Jackentasche, schrieb eine SMS an Sara, um ihr mitzuteilen, dass sie ihr Handy hatte, und schickte sie ab.
    Dann prüfte sie auf dem Telefondisplay die Uhrzeit und starrte zum Eingang der Kneipe, während sie Saras Handy Pirouetten drehen ließ. Wieder schoss ihr die Erinnerung an Carlos Erscheinen in seiner Wohnung durch den Kopf. Die wertvollen Sekunden, die sie hatte verstreichen lassen, bevor sie den Stecker gezogen hatte. Ihre panische Suche nach einem Versteck, die Flucht

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