Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
Vom Netzwerk:
und drückte sie. »Wir schaffen das schon. Glaub mir.«
    Sara zuckte zusammen. Nie hatte sie Tini so vertraut mit einem Mann gesehen. Außer mit Paul natürlich. Es erschien ihr falsch. Sie hatte bisher kein Wort über Paul verloren. Er war seit zwei Tagen tot, und Tini hielt sich an der Hand eines fremden Mannes fest, als müsse er sie aus einer tosenden Flut retten. Schnell wandte Sara sich ab, ging zur Spüle und füllte Wasser in die Kaffeemaschine. Aus der Anrichte holte sie Tassen und Unterteller und stellte sie auf den Tisch. Tini hielt noch immer die Hand ihres Anwalts. Schweigend. Als bräuchten sie keine Worte, um sich zu verstehen. Sara häufte sechs Löffel Kaffee in den Filter und schaltete die Maschine an. War er der Mann, mit dem Tini Paul betrogen hatte? Er war attraktiv, und man fühlte sich bei ihm … Sie suchte nach einem passenden Wort. Aufgehoben. Ja. Geborgen. Sie erinnerte sich, wie er sie gestern zum Lift geführt hatte, und ein leichtes Kribbeln lief durch ihren Körper. Sie rückte den Filter gerade. Wäre es nicht logisch? Wenn er Tini in diese Situation gebracht hatte? Vielleicht nicht direkt, aber wenn er involviert gewesen war, dann sollte er ihr jetzt auch gefälligst helfen.
    Das Wasser gurgelte langsam durch die Maschine, bahnte sich einen Weg durch das Kaffeepulver und tropfte gleichmäßig in die Kanne.
    »Sara?«
    Tinis Stimme kam von weit weg. Sie schob ihre Gedanken beiseite und drehte sich um. »Ja?«
    »Michael hat gefragt, ob du Zucker hast.«
    »Entschuldigung. Ja. Natürlich.« Auf Zehenspitzen nahm sie die Zuckerdose aus dem Schrank und stellte sie vor Seitz. »Trinken Sie Ihren Kaffee mit Milch?«
    »Ihr siezt euch nicht wirklich, oder?« Tini brach auf einmal in Lachen aus. »Wie absurd. Darf ich vorstellen: Michael, das ist Sara, meine Schwester, Sara, das ist Michael, einer meiner besten Freunde.«
    Michael blickte Sara an. Er wirkte verlegen.
    »Gerne mit Milch.« Er lächelte und fügte hinzu: »Sara.« Dann zog er einen kleinen Notizblock aus der Lederjacke, die hinter ihm über der Lehne hing, und blätterte in dem Block.
    »Gestern Abend kam einer von der Kripo und hat Ronnie und mich befragt.« Sara versuchte, sich das Gespräch in allen Details ins Gedächtnis zu holen. »Bei Mama war der auch schon. Er wollte alles über eure Ehe wissen, ob Paul dich geschlagen hat, ob du ein Verhältnis hast und lauter so Zeug. Und wie du als Kind warst, und ob du dich mit Botanik auskennst. Und wie lange du schon in der Frauengruppe bist.«
    »Und?« Tini schaute sie gebannt an. »Was hast du gesagt?«
    »Die Wahrheit. Dass ich bis gestern der festen Überzeugung gewesen bin, dass ihr eine Traumehe führt und keine Ahnung hatte, dass du überhaupt zu einer Frauengruppe gehörst. Und dass du dein Leben lang Menschen geholfen hast und es völlig undenkbar ist, dass du Paul getötet haben könntest.«
    »Hieß der Beamte König?«, fragte Michael. »Etwa fünfzig, groß, kräftig gebaut. Mit Geheimratsecken und einer abgetragenen Lederjacke, wie ein Fernsehkommissar.«
    Sara schüttelte den Kopf und ging zur Anrichte. »Nein, das war ein ganz junger, schlanker Typ mit Jeans und Daunenweste und so einer trendigen Wollmütze.« Sie kam mit einer Visitenkarte zurück. »Behringer. Franz Behringer hieß der. Der hat jedes Wort mitgeschrieben. Zum Schluss wollte er wissen, wo wir Sonntagabend waren. Ronnie hat sich total aufgeregt, aber der Typ meinte, er müsse allen Zeugen routinemäßig diese Frage stellen.«
    »Und?«
    »Wir waren zu Hause und haben Tatort geschaut. Wie meistens am Sonntagabend.«
    Michael machte sich Notizen. »Hat er dich aufs Revier bestellt, um deine Aussage zu protokollieren?«
    »Nein. Er hat gesagt, das wäre es fürs erste. Ich fand das schon seltsam. Ich meine, er hat nicht einmal gefragt, ob Paul Feinde hatte oder ob wir uns vorstellen könnten, wer von Pauls Tod profitieren könnte. Es ging nur um Tini. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass sie alle Möglichkeiten durchgehen. Die haben sich total auf Tini eingeschossen.«
    »Das kann sein.« Er wandte sich an Tini. »Lass uns noch mal den Sonntagabend durchgehen. Du bist um halb acht aus dem Haus und zur Weihnachtsfeier. Um halb zwölf hast du mit zwei Kolleginnen die Kneipe verlassen und bist dann allein mit der U-Bahn nach Hause gefahren. Dort bist du kurz vor zwölf angekommen. Du bist gleich ins Wohnzimmer, weil du gedacht hast, dass Paul schon schläft. Dann hast du noch ferngesehen und bist

Weitere Kostenlose Bücher