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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Weglaufen? Wieder dein Aussehen ändern?
    Das hilft dir nicht mehr. Du hast dein Todesurteil schon längst unterzeichnet. Damals. Hast du wirklich geglaubt, du würdest ungestraft davonkommen? Vor mir?
    Ich sehe dich. Egal, wohin du läufst. Die Schlinge liegt bereits fest um deinen Hals, du hast es nur noch nicht bemerkt. Bis heute.
    Na, spürst du, wie ich dir langsam die Luft abschnüre?

Mittwoch, 10. Dezember
     

16
    Ich werde ihn einfach bitten, mich zu Tini mitzunehmen, dachte Sara und drehte die Bürste aus ihrem Haar. Die Locke fiel weich über ihre Schulter. Sie legte die Bürste auf das Waschbecken, fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und blies mit dem Föhn von unten heiße Luft hinein. Darf man in Untersuchungshaft überhaupt Besuch empfangen, einfach so, ohne Anmeldung? Im Spiegel sah sie, wie sich zwischen ihren Augenbrauen eine vertikale Falte bildete. Sie schaltete den Föhn aus. Mit Zeige- und Mittelfinger zog sie die Stirnfalte auseinander und glättete sie, fuhr dann über die weiche Haut unter den Augen, die heute leicht geschwollen waren. Sie nahm die teure Antifaltencreme, die Ronnie ihr zum dreißigsten Geburtstag geschenkt hatte und die sie nie benutzte, und massierte sie in die Haut um die Augenpartie ein. Eigentlich war Sara mit ihrem Aussehen zufrieden. Die leicht gewellten Haare schmiegten sich um ihr ovales Gesicht und passten gut zu den dunklen Augen und den dichten Wimpern. Der Mund war einen Tick zu schmal, aber mit etwas Lippenstift ließ sich das leicht korrigieren. Sie griff nach ihrer Tagescreme und begann, sie auf ihrem Gesicht zu verteilen.
    Da läutete es. Sie erschrak. Hatte sie so getrödelt? Ein Blick auf die Uhr beruhigte sie. Zwanzig vor zehn. Seitz wollte um zehn Uhr kommen. Wahrscheinlich eine Postwurfsendung. In Strumpfhose und BH ging sie zur Wohnungstür.
    »Hallo?«, fragte sie in die Gegensprechanlage.
    »Seitz. Guten Morgen! Bin ich zu früh?«
    »Nein, nein«, log sie. »Kommen Sie rauf!«
    Sara betätigte den Türöffner, lehnte die Wohnungstür an und rannte ins Schlafzimmer. Der hatte Nerven! Fast eine halbe Stunde zu früh! Vor ihrem Kleiderschrank riss sie einen engen Jeansrock vom Bügel, schlüpfte hinein, schnappte sich den Rolli mit den bunten Ringelärmeln vom Sessel und streifte ihn über. Dann lief sie ins Bad. Klaubte ihre Sportsachen und das nasse Handtuch vom Boden auf und warf alles in den Wäschekorb.
    Die Wohnungstür fiel ins Schloss.
    »Ich komme«, rief sie und legte noch roten Lippgloss auf. Nach einem letzten Blick in den Spiegel hastete sie über den Flur. Seitz stand an der Garderobe. Sara sah, wie er eine Daunenjacke an einen Haken hängte. Eine Daunenjacke, die sie kannte.
    Abrupt blieb sie stehen.
    »In der Küche ist sie nicht«, erklang eine Stimme.
    Seitz drehte sich um. Er grinste. »Überraschung!«
    »Tini?« Wie in Zeitlupe sah Sara ihre Schwester um die Ecke auf sich zukommen. Stumm schloss Tini sie in die Arme. Sara spürte an der ungewöhnlich kräftigen Umarmung die Erleichterung, die Tini empfinden musste. Tini war hier. Bei ihr. Alles war gut.
    Oder?
    Tini saß auf ihrem Stammplatz am Küchentisch und schaute sie an. Erst jetzt fiel Sara auf, wie schlecht ihre Schwester aussah. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die Lippen waren spröde, ihre blonden Haare hingen kraftlos in ihr blasses Gesicht.
    »Habe ich das jetzt richtig verstanden?«, fragte Sara. »Du stehst noch immer unter Mordverdacht?«
    Seitz kam Tini zu Hilfe. »Ja. Leider. Daran hat sich nichts geändert. Ich konnte aber Haftverschonung erwirken. Bis zur Verhandlung.«
    Er setzte sich neben Tini.
    »Oh … und jetzt?« Sara blickte von einem zum anderen.
    »Ich muss mich jeden Tag bei der Polizei melden. Bis zur Verhandlung.« In Tinis Augen schimmerten Tränen. »Wenn die mich wieder einsperren, das pack ich nicht. Ich kann nicht zurück dahin.«
    »Das musst du nicht.« Sara strich Tini die strähnigen Haare aus der Stirn. Unter ihren Fingerkuppen spürte sie den feinen Wulst der Narbe. »Das musst du nicht. Das verspreche ich dir.«
    Tini lehnte ihren Kopf an Saras Hüfte. »Wie willst du das denn verhindern?«
    Sara biss sich auf die Lippe und schwieg. Warum bist du nicht früher zu mir gekommen?
    »Kopf hoch«, sagte Seitz. »Wir nutzen jetzt die Zeit. Die Staatsanwaltschaft hat die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen. Das dauert noch, bis die offizielle Anklageschrift eingereicht und ein Verhandlungstermin festgelegt wird.« Er nahm Tinis Hand

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