Ich sehe dich
dabei eingeschlafen. Um halb neun hat dich Saras Anruf geweckt. Nach eurem Telefonat bist du ins Schlafzimmer und hast Paul gefunden. Ist das so korrekt?«
Sara setzte sich neben Tini und schenkte Kaffee ein.
»Ja.«
»Du hast Paul weder ein Curry bestellt noch geholt, du hast ihm kein Gift ins Essen gemischt, du hast nichts Auffälliges bemerkt, als du von der Feier zurückkamst«, fuhr Michael fort.
Tini nickte.
»Hast du gewusst, dass Paul ein Curry bestellen würde?«
»Ja, er hat sich immer eins bestellt, wenn ich nicht da war. Er liebt indisches Essen.«
»Hatte er ein Stammlokal?«
»Er liebte indisches Essen, nicht liebt. Liebte«, korrigierte sich Tini. »Das habe ich ihm nicht gewünscht.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte ihren Kopf. Sara legte ihren Arm um sie und drückte sie.
»Danke. Es geht wieder.« Tini holte tief Atem.
»Weißt du, ob er einen Stamm-Inder hatte?«, wiederholte Michael seine Frage ruhig und sachlich.
»Nein. Hier gibt’s vier oder fünf, die kostenlos ausliefern.«
»Weißt du, bei wem er an diesem Abend das Curry bestellt hatte?«
»Nein, aber in der Küche lag ein Flyer. Irgendein Sonderangebot.«
»Weißt du noch, von wem?«
Tini zog ihre Augenbrauen zusammen. »Nein, es hat mich auch nicht interessiert, mir ist nur das große 50% auf Ihre erste Bestellung aufgefallen. Ich weiß noch, ich hab gedacht, der ruiniert sich, bevor er richtig angefangen hat.«
»An den Namen kannst du dich nicht erinnern?«
»Eben nicht!«, rief Tini aus. »Das hat die Polizei auch gefragt. Es war ein gelber Zettel, so DIN-A-4, im Dreierfalz. Take-away-Speisekarte eben und vorne ganz groß das Angebot drauf.«
»Der muss doch noch da sein.« Michael schaute von seinen Notizen auf. »Den hat er doch für die Bestellung gebraucht.«
»Ja eben. Die Polizei hat danach gesucht, aber nichts gefunden. Nirgendwo. Nicht mal im Hausmüll. Einfach weg.« Sie stützte den Kopf in beide Hände. Sara hörte in der Stille Michaels Stift über das Papier kratzen. Mit einem Ruck richtete Tini sich auf. Sara glaubte, in ihren Augen eine vage Hoffnung schimmern zu sehen.
»Ob er den Flyer abgeben musste? Um den Rabatt zu bekommen? Wie bei Rabattmarken?«
»Hätte der Bote dann nicht eine neue Speisekarte dagelassen? Er will seinen neuen Kunden doch behalten, da nimmt er ihm wohl kaum die Speisekarte weg.« Michael kritzelte einen Vermerk auf den Block.
»Ja stimmt. Das macht keinen Sinn.« Tini starrte auf ihre Hände.
Sara hatte bisher schweigend zugehört. »Der Bote könnte es vergessen haben.«
Michael nahm einen Schluck Kaffee und lächelte Sara aufmunternd zu. »Also stellt sich immer noch die Frage, warum, wie und wer Paul das Gift ins Essen gemischt hat.«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Tini.
»Dann denk noch mal nach.« Michael streckte seine Hand aus und schob Tinis Kinn sanft nach oben, bis sie ihn ansah. »Dreh jeden Stein in Pauls Leben um. Such nach Motiven. Wer könnte ein Interesse an seinem Tod gehabt haben? Wir müssen versuchen, einen Anhaltspunkt zu finden. Du hast vor kurzem in einem Forum geschrieben, dass du ihn umbringen möchtest. Die Staatsanwaltschaft findet das heraus, und die werden das gegen dich verwenden.«
»Ich hab deine Einträge gelesen.« Sara fixierte Tini. »Warum hast du mir nichts erzählt? Ich hätte dir vielleicht helfen können.«
»Ach, Sara, hätte … Genau das wollte ich damals nicht. Für mich war es viel einfacher, die Probleme einer anonymen Zuhörerschaft zu schildern. Die wissen nicht, wer ich bin und ich weiß nicht, wer die sind. Und trotzdem haben wir alle einen gemeinsamen Nenner und sind deshalb interessiert. Abgesehen davon, ich kann doch nicht mein Leben lang immer wieder unter deine Glasglocke kriechen.«
Glasglocke? Sara schluckte. Ronnie hatte das gesagt. Du hättest sie unter deine Glasglocke gepackt oder so ähnlich. War sie wirklich so einengend in ihrer Liebe?
»Außerdem steckst du selbst in einer Ehekrise.«
Der trotzige Unterton, der bei Tinis letztem Satz mitschwang, holte Sara aus ihren Gedanken.
»Das ist doch keine Krise!«
»Ach?« Tini verschränkte die Arme vor der Brust
Sara sah aus den Augenwinkeln, wie Michael den Schlagabtausch zwischen Tini und ihr verfolgte.
»Nein. Und außerdem will ich jetzt nicht über Ronnie und mich diskutieren.«
Michael hob die Hand und winkte wie ein Schiedsrichter. »Gut. Ich denke, Sara weiß am besten, wie es um ihre Ehe steht. Und du, Tini, hast
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