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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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tröstlich. Schließlich legte sie auf und setzte sich wieder an ihren Computer. Sie war sich nicht sicher, was sie tun sollte. Den Eintrag löschen? Verstieß sie damit nicht gegen ihre eigenen Regeln? Zu Kathi fahren? Sich davon überzeugen, dass sie auf dem Sofa saß und fernsah, während sie unkontrolliert Chips hinunterschlang und das Telefon ignorierte, fest davon überzeugt, mit ihrem Eintrag Christina den Rücken zu stärken? Kapierte sie nicht, dass sie Christina damit mehr schadete als half? Kurz entschlossen klickte sie auf Eintrag löschen .

Donnerstag, 11. Dezember
     

18
    Viele Opfer können lange Zeit keine Wut auf die Täter empfinden, da sie die Schuld auf sich beziehen. Sara unterstrich den Satz doppelt und las weiter. Dieses Schuldgefühl ist zumeist schambesetzt und macht es schwierig, über das Erlebte zu sprechen. Ob Tini ihr deshalb nichts erzählt hatte? Weil sie sich schuldig gefühlt und sich geschämt hatte? Aber warum hatte sie es dann Michael erzählt? Und dem Forum? Erschwerend kommt dazu, dass Männer nach einem erfolgten Gewaltakt Reue empfinden und die Frau in der Folgezeit besonders liebevoll behandeln – bis zum nächsten Ausbruch der Gewalt. In diesem als Gewaltspirale bekannten Wechselspiel werden mit der Zeit die Phasen der Ruhe immer kürzer, die Gewaltakte immer heftiger. Da häusliche Gewalt oft ein Ausdruck der Hilflosigkeit des Mannes ist, mit (Konflikt-) Situationen umzugehen, bzw. die einzige von ihm erlernte Form, Macht und Kontrolle auszuüben, können nur die wenigsten Männer diesen Teufelskreis durchbrechen. Das bedeutet, dass die Frau …
    Es läutete. Sie blickte auf die Uhr und seufzte. Zwanzig nach zwölf. Zu früh für Jonas. Es läutete wieder. Mit einem kräftigen Stoß schubste sie den Drehstuhl vom Schreibtisch weg und lief zur Tür. Sie drückte auf die Gegensprechanlage. »Ja?«
    »Hallo Sara, kann ich kurz raufkommen?«
    »Natürlich.«
    Sie drückte den Türöffner. Dann lief sie zum Spiegel. Schnell legte sie Lippenstift auf und kämmte sich mit drei Bürstenstrichen über die Haare, bevor sie sich in den Türrahmen stellte und wartete. Sie spürte, wie sie immer nervöser wurde. Endlich erreichte Michael den letzten Treppenabsatz und kam auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
    »Entschuldige, dass ich dich so überfalle.«
    »Kein Problem«, unterbrach sie ihn hastig. »Hat gestern noch alles geklappt? Mama hat mich am Abend angerufen und mir erzählt, dass du Tini noch stundenlang bei dem ganzen Behördenkram geholfen hast.« Solange, dass sie keine Zeit mehr gefunden hat, mich zurückzurufen.
    »Ist gerade alles ein bisschen viel für sie.« Michael kratzte sich am Kopf und stand unschlüssig in der Tür. »Soll ich hier stehenbleiben oder bittest du mich herein?«
    »Oh … entschuldige.« Verlegen ließ sie ihn eintreten und schloss die Tür.
    »Tja«, begann er und verstummte.
    »Tja was?«
    »Wir haben ein Problem.«
    »Problem? Was für ein Problem?«
    »Christina ist wieder in Untersuchungshaft.«
    »Was?« Sie starrte ihn entsetzt an.
    »Sie hat uns gestern leider ein wichtiges Detail verschwiegen.«
    »Was denn?«
    »Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Familiendrama von gestern Abend und dem Mord an Paul.«
    »Welches Familiendrama?« Sie war völlig verwirrt. »Ich verstehe gar nichts mehr.«
    »Können wir mal kurz ins Internet?«
    »Ja. Natürlich. Komm mit.« Sara führte ihn in ihr Arbeitszimmer und bot ihm einen Stuhl an.
    »Ist das eine Kletterwand?« Anstatt sich zu setzen, stellte sich Michael vor die Wand mit den Klettergriffen und berührte die bunten Plastikausbuchtungen.
    »Ja. Zum Bouldern.«
    Er zog sich an einem der Griffe in die Höhe. »So was habe ich noch nie in einer Wohnung gesehen. Kletterst du schon lange?«
    »Ewig. Ich hab das mal richtig professionell betrieben, aber mit Jonas geht das nicht.« Sie gab dem Magnesiumsack einen Stoß. »Da ist man zu viel unterwegs … Jetzt gebe ich am Wochenende Kletterkurse in Thalkirchen und leite hin und wieder Klettertouren für den Albenverein oder mach mal bei einem Showklettern mit.«
    Sie setzte sich auf ihren Drehstuhl und gab der Maus einen kleinen Ruck, um den Bildschirmschoner zu deaktivieren. Michael löste sich von der Wand und setzte sich.
    »Geh auf die Seite von der Süddeutschen Zeitung .« Er hatte sich zurückgelehnt und ließ seinen Blick über die anderen Wände schweifen. »Und du kletterst hier, in deinem Arbeitszimmer?«
    »Ja. Sonst käme ich

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