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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Seite mit mehreren Rubriken erschien, auf der er die Rubrik Christina auswählte. »Du musst Christinas Eintrag in der Folterkammer lesen. Das ist so gut wie ein Mordgeständnis. Nur dass sie dies etwa drei Wochen vor Pauls Tod geschrieben hat.«
    »Was?« Sara hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund. »Das glaube ich nicht!«
    »Lies.« Michael deutete auf den Eintrag, der auf dem Bildschirm erschien.
    Das grelle Rot des Fruchtmantels schreit mir seine Warnung ins Gesicht. Doch ich sehe nur die winzigen Samen und das neue, bessere Leben, das sie mir versprechen. Immer wieder drücke ich meine Fingernägel in das weiche Fleisch der Eibenfrüchte, pule die dunkelbraunen Samen heraus und lege sie auf ein Holzbrettchen. Die Hüllen werfe ich in den Abfall, wo sie sich mit den noch feuchten Kartoffelschalen vermischen. Das Häufchen Samen zerstoße ich mit dem Mörser aus Stein, bis nur noch ein Pulver übrig ist, das auf der klebrigen Kuppe meines Zeigefingers einen schmutzigen Film hinterlässt. »Und das hat wirklich Tini geschrieben?« Sara starrte noch immer fassungslos auf den Forumseintrag und blieb wie gebannt an einem Satz hängen: Ohne auf seine Antwort zu warten, nehme ich das Brettchen und ein Messer, gebe das tödliche Pulver hinzu und rühre es langsam in seine Lieblingsspeise ein …
    Das sollte ihre Schwester geschrieben haben? Das war’s. Der letzte Vorhang für Tini. Sara spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Tinis Worte dröhnten in ihren Ohren: Wenn die mich einsperren, das pack ich nicht.
    »Leider ja.« Michael nahm die Maus und scrollte an den Anfang des Eintrags. An der linken Seite prangte ihr Name: Christina .
    »Aber warum hat sie uns das gestern nicht erzählt?«
    »Vielleicht war es ihr peinlich. Oder sie wollte sich nicht belasten und hat gehofft, es würde unentdeckt bleiben.« Er schloss Tinis Eintrag.
    »Aber so etwas muss sie uns doch erzählen«, rief Sara verzweifelt. Gestern hätte Tini Gelegenheit gehabt, ihnen reinen Wein einzuschenken. Michael hatte sie wieder und wieder gefragt, ob ihr noch etwas einfiele, irgendwas, egal wie unwichtig es ihr erscheinen möge. Wenn sie ihnen das verschwiegen hatte, was lauerte dann noch im Verborgenen? Sara fühlte sich plötzlich müde und leer. »Und was machen wir jetzt?«
    »Kämpfen. Was sonst? Christina ist unschuldig.« Er nahm einen gefalteten Papierlöwen in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten.
    »Aber die Polizei denkt doch, dass sie es getan hat, sonst wäre sie nicht in Haft, oder?«
    »Klar. Die KriminAlbolizei freut sich sehr über diesen Eintrag.«
    »Wie kannst du nur so gelassen sein?«, stieß sie hervor. Eine Welle der Wut überrollte sie und ließ ihren Ton aggressiv werden, aber sie hätte nicht sagen können, worüber sie sich mehr ärgerte: den erneuten Vertrauensbruch von Tini oder Michaels Gelassenheit. »Das bringt Tini in Teufels Küche!«
    Michael stellte den Papierlöwen vorsichtig neben die Tastatur und berührte sie sanft an der Schulter. Sofort übertrug sich seine Ruhe auf Sara, und sie spürte, wie die Berührung sie gleichzeitig besänftigte und elektrisierte.
    »Ich will Christina helfen, genau wie du«, sagte er leise.
    »Entschuldige.«
    Er zog seine Hand zurück. »Jedenfalls wissen wir jetzt, dass Christina definitiv mit dem Mord nichts zu tun hat. Dass eine Frau ihren Mann tötet, kommt vor. Wer weiß, wie verzweifelt Christina wirklich war. Aber so? Niemals.«
    Es entstand eine Stille. Sara stützte den Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und senkte die Stirn in ihre Hand. Sie schloss die Augen. Das konnte alles nicht wahr sein. Gestern war sie überzeugt gewesen, alle Geheimnisse erfahren zu haben, doch heute öffneten sich völlig neue Abgründe. Folterkammer? Rachefantasien? Anstiftung zum Mord? Wo war die Schwester geblieben, die sie ein Leben lang gekannt hatte? War sie immer noch von Tinis Unschuld überzeugt? Sie wusste es nicht. Irgendwann in den letzten drei Tagen hatte sich leiser Zweifel eingeschlichen, der immer lauter wurde und ihren Glauben an Tini in Frage stellte. Sie spürte Michaels Blick und sah auf. »Wie kannst du so sicher sein?«
    Michael runzelte die Stirn. »Weil Christina dazu zu intelligent ist. Wenn ich plane, jemanden umzubringen, dann doch so, dass der Verdacht nicht auf mich fällt. Also würde ich keinen Mord begehen, den ich zuvor im Internet ausführlich beschrieben habe.«
    Seine Schlussfolgerung klang logisch. Tini war nicht dumm. Wenn überhaupt,

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