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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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nicht genug zum Üben. Jedes Mal zu einem der Kletterzentren zu fahren, ist zu aufwendig.«
    »Etwas verrückt ist das schon, oder?«
    »Warum? Was ist daran anders, als sich ein Laufband ins Wohnzimmer zu stellen oder eine Putting-Green-Matte auf dem Boden auszurollen? Nur dass es beim Klettern viel wichtiger ist, in Übung zu sein, weil es einfach gefährlicher ist. Es gibt wenige Sportarten, bei denen du so oft an deine eigenen Grenzen gebracht wirst, körperlich und mental.« Sara wartete, bis sich die Seite aufgebaut hatte. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass seine Aufmerksamkeit auf das große Portraitfoto von Tini gerichtet war. »Bist du mit Tini … Ich meine, bist du mehr als, also, du weißt schon, was ich meine.« Ihr wurde heiß. Sie konnte ihn doch nicht fragen, ob er mit Tini etwas hatte. Zweifelte sie dadurch nicht seine Integrität als Anwalt an? Seine Beweggründe, warum er Tini so intensiv unterstützte? Schlimmer noch, würde er sich nicht sofort verdächtig machen, wenn er es zugab?
    »Du meinst, ob ich Tinis geheimnisvoller Liebhaber bin?« Er grinste. »Da muss ich dich leider enttäuschen.«
    Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und drehte sich schnell zum Bildschirm. »Und jetzt?«
    »Klick auf München und Region .«
    Sofort erschien eine Schlagzeile: Familiendrama in Pasing . Sara öffnete den Artikel und las:
    Gestern Nacht ereignete sich ein weiteres Familiendrama mit tödlichem Ausgang. Nach Aussage der geständigen Täterin ertränkte sie ihren Mann als Rache für jahrelange Demütigungen in der Badewanne. Dies ist in dieser Woche bereits der zweite Mord an einem mutmaßlich gewalttätigen Ehemann im Münchner Stadtgebiet. Die KriminAlbolizei prüft derzeit, ob eine Verbindung zu dem Mord in Schwabing vom letzten Sonntag besteht. Sara schloss die Seite und wandte sich Michael zu. »Aber was hat das mit Tini zu tun?«
    »Sie soll die Frau dazu angestiftet haben, ihren Mann umzubringen.«
    »Was?«
    »Sie hat die Tat gestanden und Christina schwer belastet. Sie behauptet, Christina hätte als Erste den Mut gehabt, ihre Folterkammerfantasie in die Tat umzusetzen.«
    Sara schwirrte der Kopf. Folterkammer? Anstiftung zum Mord? Was kam als Nächstes? »Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Was hat Tini mit dieser Frau zu tun?«
    »Christina und Kathi Gerlach waren in einer Selbsthilfegruppe. Dort hat die Gruppenleiterin, eine Valeska Liebig, die Mitglieder aufgefordert, ihrem Hass auf die dominanten Partner ein Gesicht zu geben und in Form einer Fantasie aufzuschreiben. Das wurde in der Gruppe Folterkammer genannt.«
    »So was hab ich ja noch nie gehört!«
    »Ich auch nicht«, stimmte Michael ihr zu, »aber sie soll damit recht erfolgreich gewesen sein. Es hat Frauen geholfen, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu lösen.«
    »Wie denn?«
    »Soweit ich es verstanden habe, behauptet Frau Liebig, die Verbalisierung einer Rachefantasie gebe dem Opfer ein Stück Selbstsicherheit zurück.«
    »Aber was hat das mit dem Mord an Paul zu tun?«
    Er seufzte und legte seine Hand auf die Maus. »Darf ich?«
    Sara nickte und beobachtete, wie er www.frauenwehr.de eintippte. Die Forumsseite, auf der sie vorgestern Tinis Einträge gelesen hatte, erschien.
    »Den öffentlich zugänglichen Bereich vom Frauenwehr-Forum kennst du schon.« Er zog einen Zettel aus seiner Innentasche. »Soweit ich Frau Liebig verstanden habe, hat sie Frauen, die ihrer Meinung nach für eine Veränderung bereit waren, persönlich in den geschützten Mitgliederbereich eingeladen. Christina auch. Dazu musste sie ihre Kontaktdaten offenlegen. Sprich, kein Zugang für anonyme Teilnehmer.«
    Er tippte die Logindaten von dem Zettel ab.
    »Ist das nicht ungewöhnlich?« Sie sah Michael fragend an. »Das ist doch der Punkt bei diesen Foren. Also, dass man anonym bleibt, oder?«
    »Meistens ja. Frau Liebig will die Frauen dazu bringen, sich als Gewaltopfer zu outen und betrachtet den Mitgliederbereich als Übungsplatz. Sprich, hier können sich die Frauen in einem geschützten Raum aussprechen, aber nur unter ihrer eigenen Identität.« Er drehte sich zu Sara. »Ich weiß nicht, ob das wirklich etwas bringt, aber Frau Liebig scheint da ziemlich überzeugt. Sie duldet keine Ausnahmen.«
    In dem nichtöffentlichen Bereich war die Menüführung ähnlich aufgebaut wie in dem öffentlichen. Man konnte unter mehreren Themenbereichen wählen. Eine Themenüberschrift hieß Folterkammer. Michael klickte sie an, und eine neue

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