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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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automatisch in die Psychiatrie. Von dort wurde sie zum Psychotherapeuten geschickt, und der hat ihr nahegelegt, sich auch mit anderen Gewaltopfern zu treffen, um die Therapie zu unterstützen. So kam sie zu uns. Sehr dick, sehr unglücklich und völlig verschüchtert. Christina hat Kathi Mut gemacht, sie ermuntert, offen über ihre Erlebnisse zu sprechen. Sie hatte einfach einen besseren Draht zu ihr als ich.« Lydia zuckte mit den Schultern und fuhr fort. »Kathi war zuletzt völlig fixiert auf Christina. Wie ein treues Hündchen.«
    »Und Tini?«
    »Vielleicht hat es ihr ja gutgetan. Kathi hat deine Schwester kopiert. Es war mit allem so, Outings, Rollenspiel, egal was. Mir war das recht.«
    »Warum?«
    »Ich gebe immer kleine Hausaufgaben auf, Kathi war unfähig, das auch nur einmal umzusetzen.«
    »Hausaufgaben?« Saras Stift raste über das Papier.
    »Ja, Mutproben.« Lydia hatte Saras fragenden Blick erwartet. »Ich will damit Verhaltensänderungen herbeiführen. Wenn du immer darauf achtest, unauffällig im Hintergrund zu verschwinden, musst du erst wieder lernen, sichtbar zu werden. Da reichen kleine Aktionen, wie sich beim Bäcker vordrängeln oder so.«
    »Ist das nicht eher ungewöhnlich? Aber passt auch irgendwie. Ich meine, Frauen zu Mordfantasien anzuregen, klingt auch nicht gerade nach Schulbuchpsychologie.«
    Das stimmt, dachte Lydia, aber manchmal reichte die Schulbuchpsychologie nicht, um jemanden zu retten. »Hast du schon mal etwas von Katharsis gehört?«
    »Klar, ein griechischer Begriff. Steht für die Hypothese, dass das Ausleben von verdrängten Emotionen und inneren Konflikten zu einer Reduktion dieser Gefühle und Konflikte führt.«
    »Ganz genau. Und das versuche ich mit den Rachefantasien in der Folterkammer zu bewirken. Stell dir eine Explosion in einem Bunker vor.«
    »Es gibt zwei Tote«, bemerkte Sara.
    Lydia spürte, wie ihr heiß wurde. Warum hatte sie nur die blöde Folterkammer angesprochen? »Ja, trotzdem. Eine von meinen Frauen, Petra, hat zum Beispiel durch das Aufschreiben ihrer Fantasie sichtbar profitiert. Das war wie … wie ein Schutzschild. Kurz nachdem sie das aufgeschrieben hatte, gewann sie allmählich an Selbstsicherheit. Wenn er gemein war, hat sie sich in diese Fantasievorstellung geflüchtet, dort war sie die Überlegene. Dadurch hat er langsam an Macht über sie verloren – nach über zwanzig Jahren! Das ist der erste Schritt in die Unabhängigkeit. Du musst verstehen, die meisten Frauen aus der Gruppe sind in sich gefangen, die sind so ohne Selbstvertrauen, dass sie nicht wagen, etwas zu verändern, die hören doch jeden Tag, wie wertlos sie sind und dass sie froh sein sollen, dass man sie erträgt.«
    Lydia hatte Mühe, ihre Stimme zu kontrollieren. Irgendwann musste sie lernen, ihre Emotionen bei diesem Thema im Griff zu behalten.
    »Aber das war dann ein Schritt zu viel, oder?«
    »Ein Schritt zu viel?« Lydia zuckte mit den Schultern. »Ganz ehrlich, ich glaube, wenn Christina Paul nicht umgebracht hätte, wäre nichts passiert. Für Kathi hat Christina den Weg gewiesen.«
    »Du machst Tini also doch verantwortlich …«, sagte Sara. Sie hatte aufgehört zu schreiben. »Ich glaube nicht, dass Tini ihren Mann getötet hat.«
    Lydia senkte die Augen und spielte stumm mit ihrer Brille. Sie erinnerte sich daran, wie Christina über ihre Schwester gesprochen hatte. Dieses Treffen war die beste Bestätigung, wie nahe sich die Schwestern standen. Sie konnte sich vorstellen, wie schrecklich Sara zumute sein musste, und es tat ihr leid, aber darauf durfte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Zum Glück erschien in diesem Moment die Bedienung. Sara bestellte ein Mineralwasser. Dann klopfte sie mit ihrem Stift auf die halbbeschriebene Seite und hinterließ dabei unzählige blaue Pünktchen.
    »Sie wollte im Januar aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen«, nahm Sara das Gespräch schließlich wieder auf. »Ihn verlassen, nicht töten.«
    »Ich weiß. Sie hatte bereits die Scheidungspapiere vorbereiten lassen. Ich bin mir fast sicher, sie wollte ihm die noch vor Weihnachten geben.«
    »Scheidungspapiere?« Sie klang plötzlich aufgeregt, wie wenn sie neue Hoffnung geschöpft hätte. »Würdest du das bei der Polizei bestätigen?«
    »Ich … ich denke, es wäre besser, wenn das von ihrem Anwalt kommt. Wenn die Polizei in der Gruppe nachfragt, erfährt sie auch, wie … wie abgrundtief Christinas Hass auf Paul war. Vor allem seit der Sache mit den Schulden.«
    »Die

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