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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Schulden! Sie hatte kein Geld für die Scheidung.« Mit enttäuschter Miene nahm Sara einen Schluck Wasser.
    »Doch, das mit dem Geld war geklärt, jemand wollte es ihr leihen.« Sara stellte ihr Mineralwasser so heftig auf dem Tisch ab, dass es überschwappte. »Was? Jemand wollte ihr das Geld leihen? Sie hatte sechstausend Euro Schulden und brauchte Geld für die Scheidung. Das kostet locker nochmal ein- bis zweitausend, und für die neue Wohnung war eine Kaution fällig. Das wären ja zwischen sieben- und zehntausend Euro! Wer würde ihr denn so viel Geld leihen?«
    Lydia presste die Lippen aufeinander und fluchte innerlich. Sie hatte Christina fest versprochen, niemandem von Seitz’ großzügigem Angebot zu erzählen. Niemandem.
    »Keine Ahnung.« Sie spürte, wie sie rot wurde, und sprach schnell weiter. »Der Witz ist, die Lebensversicherung würde alles abdecken, aber die bezahlt natürlich nicht, wenn sie wegen Mordes verurteilt wird.«
    »Lebensversicherung?« Sara starrte sie an.
    »Wusstest du das nicht? Eine hohe Summe.«
    »Nein, daswusste ich nicht«, sagte Sara mit Nachdruck.
    »So eine, wo man das Geld auch bekommt, wenn man nicht stirbt. Ich kenn mich da nicht aus. Dein Mann hat ihm den Tipp gegeben. Der hat das wohl auch. Überhaupt … Tini hat oft von deinem Mann gesprochen. Also, von euren Problemen.«
    In einem Hustenanfall, der sie knallrot anlaufen ließ, spuckte Sara Mineralwasser über den Tisch. Lydia wartete, bis sie sich beruhigt hatte.
    »Alles klar?«, fragte Lydia.
    Sara räusperte sich kräftig.
    »Von Ronnie?« Ihre Stimme war nur ein Krächzen.
    »Ja.« Lydia war froh, von Christina ablenken zu können. »Offenbar kompensiert er seinen Minderwertigkeitskomplex dadurch, dass er dich lächerlich macht.«
    Sara richtete sich auf. Sie setzte zum Reden an und verstummte gleich wieder. Lydia beobachtete, wie sie mit sich kämpfte. Schließlich ließ Sara den Stift los und seufzte.
    »So würde ich das nicht sehen«, sagte sie zögerlich.
    »Gut. Beantworte mir diese Frage: Wann hast du dich das letzte Mal über deinen Mann geärgert?«
    »Weiß ich nicht, aber darüber will ich jetzt auch nicht sprechen.«
    »Solltest du aber. Christina hat viel zu lange gewartet.«
    Lydia sah, wie es in Sara arbeitete. Ärgerte sie sich über Christinas Indiskretion, oder wägte sie gerade ab, ob sie sich ihr anvertrauen sollte?
    »In jeder Partnerschaft gibt es Meinungsverschiedenheiten, oder?« Sara verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Daraus muss man nicht gleich ein Drama machen.«
    Lydia musste lächeln. Welch klassische Abwehrreaktion, klarer hätte Sara gar nicht zustimmen können.
    »Ja. Sie hat einmal ein Beispiel von dir gebracht. Warte … Ronnie hat dich in der Schule bloßgestellt. Ich glaube, er hat dich öffentlich mit Pippi Langstrumpf verglichen, weil du eine Ringelstrumpfhose anhattest oder so was.«
    Sara starrte auf ihr Notizbuch und schwieg. Eine Zornesfalte zeichnete sich auf ihrer Stirn ab.
    »Wir haben diese Geschichte in der Gruppe analysiert, als externes Fallbeispiel. Warum stellt er dich vor den anderen Eltern bloß, was bezweckt er damit? Vor allem, was passiert dabei mit dir?« Lydia spürte Saras Verärgerung, die wie eine Wand zwischen ihnen stand. »Keine Angst, das war alles anonym. Es ging nur darum, verständlich zu machen, dass Gewalt nicht immer physischer Natur sein muss.«
    Sara blieb stumm, die Arme vor der Brust, den Blick starr auf das leere Mineralwasserglas gerichtet. Wie hübsch sie ist, dachte Lydia, sie wirkt so natürlich und sympathisch. Selbst jetzt in ihrer Abwehrhaltung. Sie konnte sich gut vorstellen, was Christina gemeint hatte, als sie sagte, man könne sich dem Charme ihrer Schwester nicht entziehen.
    »Ich will dich nicht verärgern, aber du solltest dir Hilfe holen. Meiner Meinung nach habt ihr echte Probleme. Oft reichen ein, zwei Sitzungen, um diese zu lösen, bevor sie eskalieren.« Sie zog Saras Notizbuch zu sich und kritzelte eine Adresse hinein. »Dr. Rosen ist eine hervorragende Therapeutin. Ich weiß, dass Christina dort am Dienstag einen Termin gehabt hätte, alleine oder mit Paul, um die Scheidung zu begleiten. Vielleicht ist der Termin noch frei. Ich rufe für dich an, dann klappt das bestimmt.«
    Sara nahm das Notizbuch und verstaute es schweigend in ihrer Tasche.
    »Weißt du was, komm doch heute Abend in die Frauenwehr-Gruppensitzung«, schlug Lydia spontan vor. »Dann erfährst du auch mehr über Christina. Hör dir einfach

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