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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Laufen rief sie: »Hier! Hallo! Hierher!«
    Ein Arzt kam ihr entgegen, und gemeinsam eilten sie die Einfahrt entlang, in den KulturLaden, nach hinten zur Kochnische.
    »Wo ist die Patientin?«, rief der Arzt atemlos. Er sah sich um. Sara drängte sich an ihm vorbei in die schmale Nische. Mit offenem Mund starrte sie auf die Stelle, an der Valeska eben noch an der Wand gelehnt hatte.
    »Sie … Sie war eben noch hier.« Mit einer Armbewegung beschrieb sie den Ort, an dem Valeska gesessen hatte. »Das gibt’s doch nicht!«
    »Einen Rettungswagen umsonst zu rufen, das ist teuer.« Der Arzt klang ärgerlich. »Woist die Patientin?«
    »Ich weiß es nicht!« Den Tränen nahe lief sie zur Toilette. Nichts. Wo war sie? Hatte er sie geholt? »Sie war eben noch hier. Total weggetreten. Dann bin ich raus, als ich die Sirene gehört hab. Da lag sie hier.«
    Sie lief ins Büro.
    »Ihre Sachen sind noch da«, sagte sie tonlos zu dem Arzt, der ihr gefolgt war. »Ich … ich verstehe das nicht.«
    Plötzlich war ihr schlecht. Es schien, als sei alle Luft in dem kleinen Zimmer aufgebraucht. Der Raum fing an, sich zu drehen. Starke Männerarme setzten sie sanft auf den Stuhl. Eine ferne Stimme gab ihr Befehle.
    »Tief atmen. Ein und aus. Ja, so ist es gut. Ein, aus, ein, aus.«
    Sie fühlte Finger an ihrem Handgelenk. Langsam löste sich der Nebel auf, und sie sah, wie zwei blaue Augen sie besorgt betrachteten, während eine geübte Hand ihren Puls nahm.
    »Na, wieder bei uns?«, fragte der Arzt eine Nuance freundlicher und ließ ihren Arm los.
    »Danke, geht schon.« Sara wollte aufstehen, doch er drückte sie in den Bürosessel zurück.
    »Sachte, sachte, junge Frau«, sagte er. »Geben Sie Ihrem Kreislauf die Chance, langsam wieder auf Touren zu kommen. Dabei nehme ich Ihre Personalien auf. Ich muss den Einsatz melden.«
    »So was ist mir noch nie passiert«, murmelte Sara verlegen. Er musste sie für völlig hysterisch halten. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Wo war Valeska? Sie konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.
    »Kommt vor. Zu viel Aufregung, nicht genug gegessen, oder zu wenig Schlaf. Da spielt der Kreislauf manchmal verrückt.« Er deutete auf die Flasche Coke Zero. »Ist das Ihre? Ein Schluck täte Ihnen jetzt gut.«
    Sie nahm die Flasche und trank einen kräftigen Schluck. Die prickelnde Flüssigkeit rann ihre Kehle hinunter und brachte langsam ihre Lebensgeister zurück.
    »Also, dann fangen wir an. Name und Adresse bitte.«
    »Sara Neuberg, Volkartstraße 21c, 80634 München.«
    Der Arzt schaute verblüfft auf.
    »Neuberg? Kennen Sie Ronnie Neuberg?«
    »Ronnie ist mein Mann.«
    »Na, dann regle ich das mit Ronnie.« Er zwinkerte ihr zu. »Und Sie passen das nächste Mal besser auf Ihre Patientin auf.«
    Schon beim Reden packte er seinen Block weg und reichte ihr die Hand.
    »Danke.« Völlig überrumpelt sah sie ihm nach, wie er das Büro verließ und behutsam die Tür hinter sich schloss, als brauche sie besonders viel Ruhe. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wenn Ronnie davon erfuhr! Und dann noch der Audi. Aber sie konnte ja nicht sagen, bitte verraten Sie nichts, mein Mann darf nicht wissen, dass ich hier bin. Bei dem Gedanken an Ronnie stöhnte sie auf. Sie blieb noch ein paar Minuten sitzen, dann stemmte sie sich aus dem Stuhl hoch und begann, Valeskas auf dem Tisch verstreute Sachen sorgfältig in den Rucksack zu packen. Sollte sie die Polizei rufen? Und dann? Valeska als vermisst melden? Oder als entführt? Oder Valeskas Mann als Einbrecher anzeigen? Nein, die Polizei würde sie gar nicht ernst nehmen können, Valeska war erwachsen und noch keine halbe Stunde verschwunden, es gab keine Anzeichen von einem Kampf, die auf eine Entführung hinweisen könnten, und es war auch weder etwas gestohlen noch eingebrochen worden – die Tür stand allen Besuchern offen.
    Und wenn er zurückkam?
    Die Tür war noch immer offen. Sara spürte, wie die Angst ihre Haare aufstellte, und warf Valeskas Dinge wahllos in den Rucksack.
    Eine Tür fiel ins Schloss.
    Der Rucksack glitt ihr aus der Hand und landete mit einem Knall auf dem Boden. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Mit angehaltenem Atem verfolgte sie die schweren Männerschritte, die sich näherten, dann vor der Bürotür stoppten. Entsetzt sah sie, wie die Türklinke sich langsam nach unten bewegte.

46
    Sie beobachtete, wie die Tür sich langsam öffnete und ein kräftiger Mann den kleinen Raum betrat. Mit einem Schrei schnellte sie nach vorne,

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