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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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er sie erwischt. Alle vier. Anina, Neni, Lucca und Nora. Auf offener Straße hingerichtet. Seitdem bin ich getrieben, ich kann nicht anders … Ich muss so viele Frauen wie möglich retten.« Lydias Stimme brach. Anina. Ich habe dich nicht vergessen. Ich würde alles tun, um dich in unsere Welt zurückzuholen.
    »Was wirst du jetzt machen?«, flüsterte Sara. Zaghaft berührte sie Lydias ineinander verkrampfte Finger.
    »Untertauchen. Ich bin nur hier, um mich zu verabschieden.« Sie hielt kurz inne, löste die Finger und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. »Die Gruppe ist meine Familie.«
    »Er macht dir so viel Angst?«
    Angst? Todesangst. Nein, schlimmer. Der Tod wäre barmherzig. Sie sah seine Augen, ungläubig, voll Entsetzen, sein Gesicht vom Schmerz zu einer Fratze verzerrt, das von siedendem Fett getränkte Hemd in seinen Körper gebrannt. Er würde sie nicht töten, nicht einmal, wenn sie ihn darum anflehen würde …

44
    Sara schluckte. Schauer liefen ihr über den Rücken. Was war das für ein Mensch?
    Wie grausam musste er sein, um Valeska so viel Angst einzujagen?
    Was war das für ein Geräusch?
    Sie setzte sich auf und lauschte.
    Schon wieder.
    Schleichen.
    Sie legte ihren Finger an den Mund und bedeutete Valeska, still zu sein. Angestrengt lauschte sie.
    Schleichen.
    War jemand im Veranstaltungsraum? War er im Veranstaltungsraum? Die Tür stand für jeden offen. Vielleicht war er Valeska hierher gefolgt. Riss jetzt die Tür zum Büro auf. Brachte sie beide bestialisch um. Vor ihren Augen sah sie die Schlagzeile: Mysteriöser Doppelmord im KulturLaden. Sie zitterte.
    »Was hast du?«, fragte Valeska.
    »Hörst du das nicht?«
    »Nein. Was denn?« Trotzdem wurde Valeskas Gesicht eine Nuance blasser, als sie den Kopf schief legte und so konzentriert auf die geschlossene Bürotür starrte, als könne sie durch sie hindurchsehen.
    Stille.
    »Nein, da ist nichts«, sagte Valeska mit einem Blick auf ihre Uhr, »wir werden schon paranoid. In einer Dreiviertelstunde kommen die anderen, wir haben genug Zeit für eine Tasse Tee, möchtest du eine?«
    »Wie spät ist es denn?« Sara atmete erleichtert auf.
    »Viertel nach sechs.«
    »Das wird knapp. Ich muss in zehn Minuten los. Kann ich von hier ein Taxi rufen?«
    »Ach, du bleibst gar nicht zur Gruppenstunde?« Valeska warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Wegen Marie? Das ist nicht nötig. Ich hatte dir geraten, dich in der Stunde nicht als Christinas Schwester vorzustellen. Ich klär das für dich.«
    »Nein, ich muss Jonas vom Fußball abholen. Um Viertel vor sieben.« Und dann meinem zukünftigen Exmann erklären, warum wir mit dem Taxi kommen.
    »Schade. Heute wird es sicher sehr spannend.« Valeska wuschelte sich durch ihr kurzes Haar und grinste. »Ein echtes Coming-out.«
    Doch Sara merkte deutlich, dass sie cooler tat, als sie wirklich war. Das leichte Zittern der Mundwinkel, die angespannte Körperhaltung, die fahrigen Handbewegungen: alles Zeichen, dass sie sich nicht wohlfühlte bei dem Gedanken an die Reaktion der anderen, an die mögliche Ablehnung, die sie erfahren könnte. »Warum ziehst du das nicht mit Perücke durch? Wenn es eh deine letzte Stunde ist?«
    »Weil die Valeska, die du kennengelernt hast, nutzlos geworden ist. Er hat sie enttarnt. Sie war mein persönliches Sicherheitssystem. Mein Bodyguard, wenn du so willst.«
    »Hängst du nicht an ihr?«, fragte Sara.
    Valeska schaute sie an, fragend. »An einer Perücke und einer Brille?«
    »Du hast Recht. Ich ziehe die Frage zurück.«
    Valeska lächelte sie an. »Wenn du nicht zur Gruppenstunde gekommen bist, warum dann?«
    »Oh … genau. Ich wollte dich fragen, ob du mir was über Heiner Grossmann sagen kannst. Und ich war bei Dr. Rosen. Mit Ronnie. Das wollte ich dir erzählen.«
    »Stimmt! Der Termin war ja heute! Wie war’s?« Interessiert beugte Valeska sich nach vorne.
    »Eine Katastrophe!« Sara machte eine wegwerfende Bewegung. »Ronnie ist stinksauer aus der Sitzung gestürmt und hat unsere Ehe für endgültig gescheitert erklärt.«
    »Oh. Wie geht’s dir damit?«
    Sara spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Ich weiß es nicht. Seit ich bei euch in der Gruppe war, fallen mir immer mehr blöde Szenen ein. Wie wenn ein Ventil geöffnet wurde und es jetzt unkontrolliert heraussprudelt. Ich muss das total verdrängt haben. Vielleicht, weil er nur manchmal so fies ist …«
    Valeska nickte verständnisvoll. »Kannst du mir denn ein Beispiel

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