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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Er ist sicher in deinem Rucksack. Oder warte …« Sie tastete Valeskas Hosentaschen ab. Dann rannte sie zurück ins Büro, riss den Reißverschluss von Valeskas Rucksack auf, durchwühlte den Inhalt und schüttete schließlich alles auf den Schreibtisch. Ein angebrochenes Twix, ein Pfefferspray, einen Handschuh, einen Block, einen Schlüsselbund, einen Krimi, noch ein Buch, eine Flasche Coke Zero, eine Rechnung, mehrere Kugelschreiber, Kaugummis, lose Zettel.
    Sara lief zum Garderobenhaken und prüfte hektisch den Inhalt des grünen Parkas: Geldbeutel, Handy, eine zusammengeknüllte Papiertüte. Mit leeren Händen rannte sie zu Valeska zurück, hoffte, dass ihr Zustand sich inzwischen verbessert hatte. Doch er war unverändert. Sie streichelte ihr sanft übers Haar.
    »Ich kann keinen Inhalator finden. Ich rufe jetzt den Notarzt.« Sie wählte 112. Sofort meldete sich eine freundliche Frauenstimme.
    Wenig später wandte Sara sich wieder Valeska zu. Die Atmung war ruhiger, sie schien ohnmächtig zu sein. Sie setzte sich neben sie und fühlte erneut nach ihrem Puls. »Gleich kommt der Notarzt, es wird alles gut, keine Angst.«
    Sie schaute in Valeskas regloses Gesicht und fragte sich, wen sie mit ihren Worten wohl beruhigen wollte – Valeska oder sich selbst?
    Sara blickte auf ihre Uhr. Zwanzig vor sieben. Jonas! Der Schreck fuhr ihr wie ein Blitz in die Glieder. In fünf Minuten musste sie ihn abholen! Sie griff nach dem Telefon und wählte die Nummer ihrer Mutter.
    Bitte, geh ran!
    Das Freizeichen ertönte mit provozierender Gleichmäßigkeit.
    Mama! Wo bist du? Hektisch tippte sie die Handynummer ihrer Mutter, vertippte sich, fing von vorne an. Nach dem fünften Tuten hörte sie ein Knacken, dann das typische Rauschen der billigen Freisprechanlage. »Hallo? Hallo?«
    »Mama! Wo bist du?« Sie schrie fast ins Telefon.
    »Auf dem Weg ins Theater. Das weißt du doch!«
    »Du musst Jonas abholen, vom Fußball. Bitte, der steht in fünf Minuten am Parkplatz!«
    »Sara!« Ihre Mutter klang verärgert.
    »Da laufen lauter komische Typen rum. Bitte Mama.« Sie hörte die Angst in ihrer eigenen Stimme. Bei dem Gedanken an den Parkplatz, auf dem Jonas wartete, krampfte sich ihr Magen zusammen. An der Seite des Parkplatzes lagen die verlassenen Containerhöfe. Immer hatte sie das Gefühl, als stünde jemand in den Büschen und gierte nur auf die Gelegenheit, dass ein Kind allein im Dunkeln wartete. Sie hörte ihre Mutter seufzen. Dann das Ticken des Blinkers.
    »Na gut. Bin schon unterwegs.«
    »Kannst du ihn mit zu dir nehmen? Ich hole ihn später ab.«
    »Vielleicht nehme ich ihn mit ins Theater.« Sie klang noch immer verärgert. »Ich melde mich.«
    Dann legte sie auf.
    »Danke Mama«, flüsterte Sara dem Besetztzeichen zu und legte das Telefon ab. Sie lehnte sich neben Valeska an die Wand und versuchte, das Zittern ihrer Hände wieder unter Kontrolle zu bringen.
    Plötzlich stockte ihr Atem.
    Wie gebannt starrte sie auf das Frauenprofil an der Toilettentür. Ein auf Posterformat vergrößertes Schwarz-Weiß-Foto von Valeska. Die schwarzen Haare länger, zu einem Pferdeschwanz gebunden, der Gesichtsausdruck ernst, fast traurig. Darüber stand in großen roten Buchstaben Lydia LUDER Schwartz . Lydia? Sara blickte auf Valeska, dann auf das Foto, schüttelte den Kopf. Vorhin hatte es dort noch nicht gehangen. Es wäre ihr aufgefallen. Dann traf sie die Erkenntnis mit der Heftigkeit eines Stromschlags.
    »Oh Gott! Erhat das aufgehängt! Während wir uns unterhalten haben, nicht wahr? Valeska! Wir können nicht hier bleiben! Wir müssen weg! Vielleicht ist er noch da.«
    Sie schüttelte Valeska, jetzt gepackt von Panik. Sie spürte, wie die Angst ihr den Rücken hinaufkroch und sich die feinen Nackenhaare aufstellten.
    »Valeska!«, schrie sie. »Valeska! Du musst aufstehen, wir müssen weg! Wach auf!«
    Sie zerrte an der schlaffen Hand, schob ihre Arme unter Valeskas Achseln und versuchte, sie hochzuhieven, aber der leblose Körper war viel zu schwer für sie. Verzweifelt schlug sie Valeska ins Gesicht. Erst leicht, dann fester. »Valeska! Wach auf!«
    Hatte sie sich bewegt? Oder war es nur ihr Schlag gewesen? Wurde die Atmung ruhiger?
    Das Heulen der Krankenwagensirene. Endlich!
    »Der Notarzt! Ich hole Hilfe!« Sie ließ Valeska los und rannte in die kalte Nacht, durch die dunkle Einfahrt hinaus auf die Straße, wo das Blaulicht des Rettungswagens in der Dunkelheit wie ein gespenstisches Farbenspiel wirkte. Schon im

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