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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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erschrocken vor, um die Wunde näher zu betrachten, doch sie stellte ihr Bein schnell wieder ab.
    »Halb so schlimm.« Sie winkte ab. »Er ist gestolpert. Wir sind beide gestürzt. Aber mein Handy ist im Eimer.«
    Er nahm ihre Hand. »Jetzt bring ich dich erst mal nach Hause. Dann versorgen wir dein Knie. Und dann erzählst du mir alles, was heute geschehen ist.«
    »Aber nicht bei mir.«
    »Dann fahren wir zu mir. Allerdings müssen wir ein Taxi nehmen, mein Auto hat mich im Stich gelassen.«

61
    »Mach es dir bequem.« Michael deutete auf das Sofa und blies das Streichholz aus, mit dem er eine Kerze auf dem Flügel angezündet hatte. »Möchtest du einen Tee? Oder lieber Wein?«
    Ihr Blick blieb am Flügel hängen. Das Bild. Das Bild von Michael und Sylvia. Es war weg.
    »Sara?«
    »Ja?« Warum hatte er das Bild entfernt? Was hatte ihn jetzt so plötzlich dazu bewegt? Wollte er seine Verbindung zu ihr vertuschen?
    »Tee oder Wein?«
    Sie musterte ihn. »Was nimmst du?«
    Michael verschwand durch die Küchentür, und sie hörte, wie er den Wasserhahn aufdrehte und etwas Schweres abstellte. Er erschien mit einer Flasche Wein im Türrahmen.
    »Nach dem, was du mir eben über Valeska und König erzählt hast, hat der für heute Abend die richtige Schwere.« Mit einem leisen Plopp öffnete er die Flasche. Michael stellte sie auf den Couchtisch und ging mit dem Korkenzieher in die Küche zurück.
    Sara stand vor dem Flügel und strich über den schwarzen Lack. Auf dem Weg zu seiner Wohnung hatte sie ihm die Ereignisse im KulturLaden geschildert. Anfangs hatte er Zwischenfragen gestellt, doch dann wurde er immer stiller, bis er nur noch ihre Hand drückte und angespannt ihren Worten lauschte. Von Ronnie und Dr. Rosen hatte sie bislang nicht gesprochen, und sie war sich nicht sicher, ob sie das Thema überhaupt anschneiden sollte. Mit zwei Gläsern in der Hand betrat er wieder das Wohnzimmer.
    »Wie lange spielst du schon Klavier?«
    »Seit meinem sechsten Geburtstag. Ich wollte immer Musiker werden.«
    »Und?«
    »Der Hunger war größer.« Er platzierte die Gläser neben die Flasche. »Setz dich doch, der Tee kommt gleich.«
    Der heiße Tee entspannte sie. Sie trank schweigend, in kleinen Schlucken, und wärmte die Hände an dem warmen Porzellan.
    Michael saß neben ihr, einen Block auf seinem Schoß. »Dein Tag war so ereignisreich, ich muss mir das jetzt skizzieren. Irgendwie in logische Sequenzen gliedern, damit wir überblicken können, ob und was für uns relevant ist.« Er kritzelte stumm in seinen Block. »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber für mich deutet alles immer mehr auf Valeska Liebig.«
    »Meinst du?«
    »Findest du ihr Verhalten nicht verdächtig?« Mit dem Zeigefinger der rechten Hand zählte er an den Fingern der Linken die Punkte ab. »Es ist alles da: Motiv, Gelegenheit, Folterkammer und die Opfer … Und dann so Details wie der Parka und der Rucksack. Hast du nicht gesagt, im Radio haben sie im Zusammenhang mit Grossmann eine Person mit Parka und Nike-Rucksack erwähnt? Das alles ist ziemlich dicht.«
    Sie schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein. Das ist zu einfach. Denk mal darüber nach, diese Indizienflut, das trifft auf Tini auch zu.« Sie machte eine kurze Pause, überlegte, ob sie ihren Gedanken aussprechen sollte. Dann sah sie ihm direkt in die Augen. »Oder auf uns.«
    »Unsinn!« Er griff nach ihrer Hand. »Der König spielt mit uns, weil er im Trüben fischt.«
    Sie spürte, wie seine Wärme sich auf sie übertrug und empfand seine Nähe mit einem Mal als das Natürlichste der Welt. »Und Valeskas Mann? Was spielt er für eine Rolle? Immerhin hat er dieses Bild aufgehängt.«
    »Überleg mal: Du hast ihn nicht gesehen. Niemand hat ihn gesehen. Vielleicht hat sie das Ganze inszeniert. Die Ohnmacht, ihr Verschwinden, das Poster. Wie war der Name noch mal?«
    »Lydia Schwartz.«
    Mit der freien Hand vermerkte Michael den Namen auf seinem Block. »Nie gehört. Aber ich erkundige mich morgen. Wann ist dein Termin beim König?«
    »Um fünf.«
    »Ich komme mit.« Er notierte die Uhrzeit neben dem Namen. »Wir geben ihm Valeskas Sachen und weisen ihn auf die Verdachtsmomente hin. Damit müssten wir dich entlasten können.«
    »Ich weiß nicht …« Konnte Valeska wirklich die Täterin sein? Kann sich ein Mensch so verstellen? Immerhin hatte sie diese Gruppe ins Leben gerufen, widmete diesen Frauen ihre Zeit. Alles das, um sie dann ins Unglück zu stürzen? Irgendetwas in ihrem Inneren

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