Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
Vom Netzwerk:
weiter, Sara, du hast mein Rufen gehört. Geh weiter.
    Doch sie blieb stehen, als sei sie mit der Laterne verschmolzen. Wieder drehte sie den Kopf Richtung Grünwaldpark und drängte sich näher an den Laternenpfahl. Dann zog sie etwas aus der Manteltasche.
    Er hörte die jazzigen Töne einer bekannten Melodie, dann ihre Stimme, die mehrmals laut »Hallo? Haaallo?« ins Telefon rief.
    Was machst du? Willst du telefonieren?
    Sie hielt das Handy an ihr Ohr. Wippte von einem Fuß auf den anderen. »Ja. Hallo. Sara hier.«
    Du darfst jetzt niemanden mehr anrufen. Kennst du noch immer nicht die Spielregeln?
    Er sprang hinter dem Auto hervor, sprintete über die Straße, direkt auf sie zu, unbemerkt, da sie ihm den Rücken zukehrte.
    »Das Bistro hat –«
    Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie. Hörte, wie sie aufschrie, als sie gemeinsam zu Boden fielen. Er sah, wie ihr Handy auf den Pflastersteinen aufprallte und ins Gebüsch schlitterte, während ein gefaltetes Papier langsam zu Boden segelte und dort liegen blieb.

58
    Stöhnend rappelte sie sich auf. »Sind Sie völlig verrückt? Haben Sie keine Augen im Kopf?« Sara hielt inne, als sie sein schmerzverzerrtes Gesicht sah. Einen Arm auf seinen Bauch gepresst, saß er gekrümmt auf dem Gehweg und wiegte seinen Oberkörper vor und zurück.
    »O Gott! Bitte verzeihen Sie mir! Haben Sie sich verletzt? Warten Sie …«, stammelte er und richtete sich mühsam auf.
    Sara schüttelte den Kopf. »Nicht schlimm. Mehr erschreckt.« Sie klopfte den Schmutz von ihrem Mantel, putzte ihre Hände ab und betrachtete die Handballen. Der rechte blutete leicht. »Aber Sie sehen nicht gut aus. Was ist mit Ihnen? Haben Sie etwas am Magen?«
    Er nickte. »Alte Kriegsverletzung … sozusagen. Es geht gleich wieder. Ich glaube, ich bin auf Ihren Ellenbogen gefallen.« Er verstärkte den Druck auf seinen Bauch mit dem anderen Arm. »Lassen Sie mich kurz verschnaufen.«
    Plötzlich wurde sein Gesichtsausdruck besorgt. »Sie bluten ja!« Er beugte sich zu ihrem Knie und betrachtete die Wunde.
    Sie sah an ihrem Bein hinunter. Ihre Strumpfhose hatte ein Loch, das Knie blutete. Jetzt fühlte sie einen pochenden Schmerz. Mit einem zischenden Geräusch zog sie die Luft ein.
    »Ich bin gelaufen und muss gestolpert sein.« Er blickte sich suchend nach der Stolperfalle um und schüttelte missbilligend den Kopf. »Die Stadt sollte endlich die Gehwege reparieren, das ist wirklich gefährlich!«
    Sie nickte und zog ein Taschentuch aus ihrem Mantel hervor. »Hier ist es besonders schlimm. Mein Sohn ist hier schon öfters mit den Skates hängen geblieben.« Sie befeuchtete das Taschentuch mit ihrer Zunge und wischte ihren Handballen ab.
    »Kommen Sie, ich wohne gleich hier, lassen Sie mich die Wunde auswaschen und versorgen.« Er machte einen Schritt auf sie zu und streckte seine Hand nach ihrem Arm aus. Sie wich zurück.
    »Danke, nein! Es geht schon. Helfen Sie mir lieber, mein Handy zu suchen.«
    »Selbstverständlich. Schauen Sie bei der Laterne. Ich unter den Büschen«, schlug er vor und ging vor der Kirschlorbeerhecke in die Hocke. Kurze Zeit später hielt er ihr das Telefon in seinen Einzelteilen hin.
    »Ich hab’s. Sieht leider nicht gut aus.« Er setzte den Akku vor ihren Augen fachmännisch wieder ein. »Ich komme selbstverständlich für den Schaden auf. Und auch für Ihre Strumpfhose.«
    Sie nahm das Handy entgegen und schaltete es an. Das Display blieb schwarz.
    »Mist«, murmelte sie. »Das hat heute noch gefehlt.«
    »Ich habe leider mein Handy nicht dabei, aber Sie können gerne bei mir telefonieren. Ich wohne gleich hier.« Er deutete mit dem Finger auf den dunklen Teil der Nymphenburger Straße. »Neben der Tankstelle.«
    »Danke.« Sie steckte das Handy in die Manteltasche. »Geben Sie mir einfach Ihre Nummer, dann rufe ich Sie morgen wegen dem Schaden an.«
    Er zog eine Visitenkarte aus der Jackentasche und reichte sie ihr. »Selbstverständlich. Wohnen Sie hier in der Nähe?«
    »Ich? O ja.« Sie deutete auf ein etwa dreißig Meter entferntes Mehrfamilienhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem von Büschen und Bäumen gesäumten Vorgarten. »In dem Haus dort. Mein Mann kommt gleich, er musste noch kurz einen Anruf entgegennehmen.«

59
    Er spürte ihre Nervosität. Na, traust du mir nicht? Hast du etwa Angst? Natürlich hast du Angst! Ich rieche deine Angst. Wusstest du, dass Angst riecht? Wusstest du, dass der Geruch von Angst das Verhalten von Menschen

Weitere Kostenlose Bücher