Ich sehe was, was du nicht siehst
erklären. Spielschulden oder etwas in der Art.«
»Er hat mir diesen Vertrag nie gezeigt. Ich bin zufällig darauf gestoßen. Es ging ihm also nicht darum, irgendwelche Verluste vor
mir
zu rechtfertigen.« Sie sagte ihm nicht, dass sie auf den Vertrag gestoßen war, als sie in den Sachen ihres Ehemanns herumgeschnüffelt hatte. Stattdessen ließ sie ihre Bemerkung einfach im Raum stehen, damit MacGuffin davon ausging, dass sie den Vertrag erst nach dem Tod ihres Mannes gefunden hatte.
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie das frage, aber war ihr Mann vielleicht in irgendwelche illegalen Geschäfte verwickelt?«
Ihre Hände krampften sich um ihre Handtasche in ihrem Schoß. »Nichts, was ich beweisen könnte. Allerdings muss ich zugeben, dass ich so etwas bereits geahnt habe.«
Er nickte. »Dann ist es durchaus möglich, dass er vorhatte, mir mithilfe des gefälschten Vertrages das Restaurant wegzunehmen. Vielleicht hat er geplant, sich eines Tages an meine Erben heranzumachen und meinen Besitz pfänden zu lassen. Solche Hochstapler bedienen sich verschiedenster Tricks. Leider habe ich im Laufe der Zeit einige davon zu sehen bekommen – diese Methode ist mir allerdings neu.«
Er musterte sie neugierig. »Sie haben gesagt, Sie hätten nicht vorgehabt, Ihre Anteile zu verkaufen. Wenn das der Fall ist, warum sind Sie dann hier?«
Sie überlegte, ob sie lügen sollte, aber das hatte sie in letzter Zeit allzu oft getan, und all die Lügen hinterließen einen bitteren Geschmack in ihrem Mund. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass mein Mann seinen Tod nur vorgetäuscht hat und zurzeit in Savannah ist. Ich versuche herauszufinden, wo er sich aufhält.«
»Ach du liebe Zeit!«
»Ich habe vergessen, ein Foto von ihm mitzubringen.« Sie hatte es zu eilig gehabt, das Haus zu verlassen, ehe Pierce bei ihr auftauchte. »Aber falls Sie ihn gesehen haben sollten, oder ihm irgendwann in der Zukunft zufällig begegnen sollten, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Bescheid geben könnten.« Sie gab ihm eine Beschreibung von Damon, während sie ihren Namen und ihre Handynummer auf ein Stück Papier notierte, das sie aus ihrer Handtasche zutage gefördert hatte. Sie schob ihm den Zettel zu. »Er hat auffällig helle, blaue Augen, schwer zu vergessen.«
MacGuffin nahm das Papier und legte es in die oberste Schreibtischschublade. »Ich habe inzwischen nicht mehr besonders viel Kontakt zu meinen Kunden. Ich verbringe den Großteil meiner Zeit mit der lächerlichen Masse von Papierkram, den die Regierung so kleinen Betrieben wie dem Meinen abverlangt.« Er lächelte reumütig. »Ich selbst habe ihn noch nie gesehen, aber ich kann Todd bitten, dass er meine Angestellten fragt.«
»Vielen Dank. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen.«
»Selbstverständlich. Ich helfe Ihnen gern – solange sie nicht versuchen, mir mit diesen gefälschten Papieren mein Unternehmen zu stehlen.«
Der stählerne Unterton in seiner Stimme überraschte sie. Was ihre Motive anging, war er offenbar skeptischer, als ihr bewusst gewesen war. Sie zog den Vertrag wieder aus der Tasche und zerriss ihn in zwei Teile, die sie auf den Schreibtisch legte.
»Sind Sie jetzt zufrieden, Mr MacGuffin?«
»Fast.« Er streckte die Hand nach dem entzweigerissenen Papier aus, drehte sich auf seinem Stuhl herum, und als Nächstes hörte Madison das unmissverständliche Geräusch eines in Betrieb genommenen Aktenvernichters. Mr MacGuffin drehte sich wieder zu ihr herum. »
Jetzt
bin ich zufrieden.«
6
Drei Stunden später hatte Madison genug davon, in jedem Unternehmen, das auf ihrer Liste stand, wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis ständig dieselbe Szene neu zu durchleben. Sie stieg aus der Straßenbahn und gab dem Fahrer das Bestechungsgeld, das sie ihm dafür versprochen hatte, dass er sie ohne Ticket mitfahren und bei einer Frühstückspension aussteigen ließ, die eigentlich kein planmäßiger Stopp auf seiner Route war.
Damon hatte angeblich fünfzigtausend Dollar in diese Pension investiert, doch Madison ging davon aus, dass auch dieser Vertrag gefälscht war – genau wie die Kontrakte mit den anderen fünf Unternehmen, die sie an diesem Tag aufgesucht hatte. Jeder, mit dem sie sprach, erzählte ihr dieselbe Geschichte: Sie kannten keinen Damon, und die Papiere waren gefälscht.
Ein paar waren – wie Mr MacGuffin – höflich und sogar ehrlich besorgt gewesen. Andere hatten offen feindselig reagiert. In ihrer Handtasche lagen die Geschäftskarten zweier Rechtsanwälte, und
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