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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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schließlich zu etwas rein Hypothetischem machte.
    Er dachte an Connie. Connie war anders. Connie war das eine Mädchen– die eine Frau, besser–, bei der Jazz er selbst sein durfte. » Er selbst sein« beinhaltete eine ganze Phalanx von Dingen– gute, schlechte, absurde. Connie akzeptierte sie alle, und– noch wichtiger– er erlaubte ihr, sie zu akzeptieren, was er in seinem ganzen Leben noch nie bei jemand anderem gemacht hatte. Bedeutete das, es gab Hoffnung für ihn? Hoffnung auf ein Leben jenseits von dem, das Billy Dent für ihn geplant hatte?
    Er sank auf die Eingangstreppe, seine Beine zitterten, und er traute ihnen nicht mehr zu, dass sie sein Gewicht trugen. Manchmal konnte nichts auf der Welt so beängstigend sein wie Hoffnung.
    Als er sich wieder im Griff hatte, zog er sich auf die Füße und wagte sich ins Haus.
    In der Diele war es dunkel. Großmutter hatte alle Lichter gelöscht und die Jalousien heruntergelassen.
    » Gramma?«, rief er. » Hey, Gramma, ich bin’s, Jasper. Ich bin allein.«
    Nichts.
    Er knipste ein Licht an und ging in das von Großmutter hartnäckig so genannte Wohnzimmer, obwohl es eigentlich nichts weiter war als ein vollgestopfter Tagesraum mit einem staubigen alten Zweiersofa und ein paar Beistelltischchen. Seine Großmutter saß mit angezogenen Beinen in einer Ecke des Sofas, die dürre Gestalt in einen fadenscheinigen Morgenmantel gehüllt. Das spärlicher werdende graue Haar hing ihr wie eine missglückte Portion Zuckerwatte um den Schädel.
    Sie richtete eine Schrotflinte auf ihn, ihre Augen waren groß und wild.
    » Hallo, Gramma.«
    » Ich erschieße sie!«, rief Gramma. » Ich erschieße sie durch dich hindurch, wenn es sein muss!«
    » Sie ist nicht bei mir, Gramma. Ich bin allein. Ehrlich.« Er machte noch einen Schritt auf sie zu.
    » Glaub nicht, dass ich nicht auf dich schieße. Ich tue es. Ich hätte deinen Daddy erschießen sollen. Ich hätte ihn gleich erschießen sollen, als er aus mir rauskam. Oder vielleicht, als er noch in mir war. Das wäre auch gut gewesen.«
    » Da kann ich nicht widersprechen, Gramma.« Noch ein Schritt. Die Waffe war harmlos, aber wenn sie den Abzug betätigte, würde sie merken, wie harmlos. Und dann wäre sie doppelt wütend.
    » Er war nicht immer schlecht, musst du wissen. Als Kind war er ganz okay. Erst als er sie kennengelernt hat, ging alles zum Teufel.«
    Billy Dent hatte kleine Tiere gequält und getötet, seit er acht war, aber Jazz ließ seiner Großmutter ihre Illusionen. Sie wollte gern glauben, dass Jazz’ Mutter Billy in eine soziopathische Tötungsmaschine verwandelt hatte, und da Mom lange tot war, schadete es niemandem, wenn man ihr diesen besonderen Irrglauben ließ.
    » Genau wie du!«, brüllte sie und zielte nun mit der Waffe auf seinen Kopf, als er näher kam. » Wie du! Ich weiß, was du treibst! Genau wie dein Papa. Lässt dich mit Huren ein. Steckst dein Ding in sie. Daher kommt alle Verderbnis, mein Junge!«
    Jazz biss sich auf die Innenseite der Wange, um nicht loszulachen. Hatte er soeben seine Ängste und seinen ständigen Kampf in Bezug auf Frauen betrauert? Nun, hier war ihr Ursprung! Von der verrückten alten Gramma Dent über den soziopathischen Billy Dent an Jazz selbst weitergegeben. Selten lieferte das wahre Leben einen so unmittelbaren Kontext für ein Problem. Wer brauchte eine Therapie, wenn Gramma alles erklärte?
    » Ich denke, ich mache Makkaroni und Käse zum Abendessen«, sagte Jazz jetzt, nur Zentimeter von der Schrotflinte entfernt. » Mit Knoblauchbrotkrümel obendrauf, so, wie du es magst. Und wenn wir Romano-Käse haben, gebe ich ihn zu dem Cheddar. Wie hört sich das an?«
    » Ich sollte dir den verdammten Schädel wegpusten«, schnarrte Gramma. » Und die blöden Makkaroni mag ich auch nicht.«
    » Gut. Wer mag die schon? Ich nehme Farfalle.«
    » Die sind gut. Die sehen aus wie eine Fliege. Das erinnert mich daran, wie ich deinen Großvater kennengelernt habe. Er war so hübsch in seiner Ausgehuniform.« Sie seufzte. » Du denkst, wenn du mir Abendessen machst, bedeutet das, dass ich dich nicht erschieße?«
    » Du kannst mich ja nach dem Abendessen erschießen. Wenn du mich vorher erschießt, wer soll dann für dich kochen?«
    Sie kniff die Augen zusammen, als würde sie einen komplizierten Bruch ausrechnen. Es waren Billys Augen, eisblau. Die von Jazz waren haselnussbraun. Die Augen seiner Mutter. Für ihn waren es die » gesunden Augen«.
    » Knoblauch! Brot! Krümel!«, zischte

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