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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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Eine wichtige Lektion, die er sehr jung gelernt hatte…
    … auf, auf, Jasper, mein Junge …
    Und dann…
    Ich erledige Rusty heute Nacht. Du musst nicht helfen, aber du musst zusehen.
    Rusty war Jazz’ Gefährte in den ersten acht Jahren seines Lebens gewesen, eine Mischung aus Cockerspaniel und Retriever mit der Farbe von weichem Karamell. Sie hatten im Garten zusammen getollt und gespielt, waren auf dem Sofa vor dem Fernseher zusammen eingeschlafen, und eines Nachts dann hatte Jazz mit angesehen, wie Billy den Hund bei lebendigem Leib ausnahm und häutete.
    Im Rückblick war er entsetzt, wie lange das arme Tier noch gelebt hatte, und das bei so erbarmungslosen Schmerzen, aber damals wusste er nur, dass sein Hund starb, dass er litt und dass er selbst nichts dagegen tun konnte. Er hatte geweint, von Anfang an und lange und heftig, die ganze Zeit, in der Billy Rusty geduldig mit seinen Messern aus dem Leben befördert hatte.
    Als Rusty dann wirklich und wahrhaftig tot war, nicht mehr als ein feuchter Klumpen Fleisch und Knochen in der Ecke, kam Billy herüber und kniete sich neben seinen heulenden Sohn. Er schloss die Arme um Jazz und flüsterte: » Es ist gut, es ist gut…«, in einem beschwichtigenden, väterlichen Ton, bis sich Jazz so weit beruhigt hatte, dass er zuhörte und verstand, was er als Nächstes sagte. Und das war: » Weine ruhig weiter. Weine weiter, es ist in Ordnung.«
    Jazz hatte keine weitere Ermunterung gebraucht. Die Tränen waren nur so geflossen, ein endloser Strom, wie ein Tiefbrunnen unter Druck, der seinen Inhalt in die Welt hinausspeit. Er lehnte sich an seinen Vater– denn ja, er war ein Mörder und ein Tierquäler, aber er war auch sein Vater, und irgendein biologischer Imperativ machte seine Anwesenheit tröstlich. Billy sagte: » Schließ die Augen«, und Jazz tat es, immer noch weinend, die Tränen sickerten unter den geschlossenen Lidern durch, und Billy hielt ihn fest, und als Jazz’ Schluchzen abebbte, sagte Billy in fast freundlichem Ton: » Du musst jetzt die Augen öffnen, mein Sohn. Du musst etwas sehen.« Jazz tat es und dachte kindische Gedanken an irgendwelchen Zauber dabei, aber alles, was er sah, war immer noch derselbe Haufen, der einmal Rusty gewesen war, und dann sagte Billy leutselig, jedoch mit einem düsteren Unterton: » Siehst du, Jasper? So viele Tränen, und was haben sie bewirkt? Nichts. Absolut nichts.«
    Jazz sah sich auf dem Footballfeld um. Alle Augen waren auf das improvisierte Podium gerichtet, das man aufgebaut hatte. Selbst Deputy Erickson war gerührt, er stand nicht weit entfernt von dem noch immer sichtlich überwältigten Jeff Fulton.
    Alle Augen bis auf zwei.
    Jazz konnte es nicht fassen– da war Doug Weathers und sah ihn direkt an. Und jetzt kam er durch die Menge auf ihn zu.
    Himmel, war dieser Kerl denn überall? War ihm nichts heilig? Gar nichts?
    Eine Wut, wie er sie noch nie gekannt hatte, wallte in Jazz auf. Er wollte Weathers furchtbare, unaussprechliche Dinge antun, Dinge, die darin gipfelten, dass Weathers um den eigenen Tod bettelte. Jazz ließ diesen Fantasien freien Lauf, und es fühlte sich gut an.
    Serienmörder gingen häufig zu den Beerdigungen und Gedenkfeiern ihrer Opfer, wie Jazz wusste. Billy hatte es mehr als einmal so gemacht, immer sorgfältig getarnt. Es war bei vielen von ihnen ein Zwang, eine Möglichkeit, ihre Eigentümerschaft über das Opfer über die Mordtat hinaus auszudehnen.
    » Autsch«, flüsterte Connie. » Jazz.«
    Unbewusst hatte er ihre Hand gequetscht. Er lockerte seinen Griff und flüsterte eine Entschuldigung, dann ließ er ihre Hand ganz los, murmelte etwas davon, dass er frische Luft brauche, und drängte durch die Menge in Richtung Ausgang.
    Weathers wechselte die Richtung und schob sich in Jazz’ Kielwasser ebenfalls dem Ausgang entgegen. Bald hatte Jazz auf seinem Weg durch die Trauernden eine der Endzonen des Footballfelds erreicht. Der Tunnel, der aus dem Gelände führte, war nicht weit entfernt.
    Er kam nicht bis dorthin. Stattdessen sah er G. William und zwei Deputys auftauchen. Der Sheriff stutzte, als er Jazz entdeckte, dann kam er schnurstracks auf ihn zu.
    Jazz warf einen Blick zurück über die Schulter. Weathers war verschwunden. Na großartig.
    » Jazz«, sagte G. William. » Wir haben ein Problem. Es gibt eine neue Leiche. Zwei Tage zu früh gibt es eine neue Leiche.«

27
    Ihr Name war Irene Heller– oder war es gewesen: Jazz wusste nie so recht, wie man es nach dem Tod einer

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