Ich soll nicht töten
dem Jeep und ging langsam zur Hütte. » Hallo, Schatz«, rief er mit gespielter Fröhlichkeit. » Ich bin zu Hause!«
Connie saß auf dem Sitzsack, die langen Beine untergeschlagen. Licht kam nur durch das milchige Plastik über dem einzigen Fenster. In dem trüben Licht sah sie aus wie eine aus Walnussholz geschnitzte Statue.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an. » Reden wir darüber.«
Er lächelte weiter tapfer. » Worüber? Es gibt nichts zu bereden. Hey, sollte es Howie aus irgendeinem Grund nicht schaffen, glaubst du, seine Eltern lassen dir dann das Auto?«
Connie klappte der Kiefer herunter angesichts seines grausamen Humors. » Was hast du gerade gesagt?«
» Ich habe nur laut nachgedacht«, sagte er leichthin.
Sie stieß sich von ihrem Sitz hoch und schlug ihm ins Gesicht, bevor er reagieren konnte. Dann starrten sie einander an.
» Es tut mir leid«, murmelte er, schlang die Arme um sie und zog sie an sich. Er küsste sie auf die Stirn, und sie schaukelten zusammen vor und zurück. » Ich bin ein Blödmann«, flüsterte er.
» Nein, bist du nicht«, sagte sie; ihre Stimme klang gedämpft an seiner Brust.
» Doch.«
» Nein, du bist…« Sie stieß sich von ihm fort. » Du bist kein Blödmann«, flüsterte sie, aber ihre Miene drückte etwas anderes aus. »Du bist kein Blödmann«, wiederholte sie und verschränkte erneut die Arme. » Aber du benimmst dich wie einer. Du machst einen auf Billy! Du versuchst, mich hereinzulegen, dein kleiner Witz vorhin sollte mich total auf die Palme bringen, damit ich nicht über das nachdenke, was heute Abend passiert ist. Großer Gott!«
» Es tut mir leid.«
Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich zurück. » Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir auf diese Tour kommst. Ich bin früher von der Totenwache weggegangen und warte hier auf dich, weil ich wusste, du würdest fix und fertig sein wegen dieser Frau, die gestorben ist. Ich wollte für dich da sein, und du benimmst dich, als müsstest du eins von Billys Opfern hinters Licht führen. Und das mir gegenüber!«
» Ich wollte es nicht«, sagte er. » Es war einfach ein Reflex.«
» Ich wollte nur für dich da sein«, sagte sie noch einmal. » Warum zum Teufel wendest du das gegen mich?«
» Ich weiß.« Er breitete die Arme wieder aus, und diesmal schmiegte sie sich an ihn. Sie fühlte sich gut an, ihre Wärme, das Schlagen ihres Herzens. » Ich weiß«, sagte er und drückte die Lippen auf ihren Scheitel, zwischen die kunstvoll angeordneten Rastalocken. » Ich will dich nicht hereinlegen«, sagte er, und sie drückte sich an ihn.
Sie kuschelten sich auf den Sitzsack, und Connie schauderte hin und wieder. Er nahm sie fester in den Arm und sprach ihr leise ins Ohr. » Ich wette, ich könnte dich aufwärmen.«
Sie funkelte ihn von der Seite her an. » Netter Versuch, alter Charmeur. Aber diese Beine bleiben geschlossen.« Wie zur Verdeutlichung schlug sie die Knöchel übereinander.
Er war ziemlich zuversichtlich, dass er sie doch noch überreden könnte. Ehe Connie in sein Leben getreten war, war er einige Male gefährlich nahe daran gewesen, Mädchen mit seinem charmanten Gerede ins Bett zu kriegen, einige davon viel älter als er. Er dachte etwa an Lana. Er könnte sie haben, und jeder andere Junge in seinem Alter würde es ausnutzen.
Aber er war nicht wie jeder andere Junge in seinem Alter. Geschult von Billy Dent hatte Jazz einen Vorteil, den durchschnittliche männliche Teenager nicht hatten: die Fähigkeit eines Soziopathen, absolut jede Emotion höchst glaubwürdig nachzuahmen. Er hatte immer im letzten Moment zurückgezogen, ohne zu wissen, warum, bis eines Tages der Groschen fiel und er erkannte, dass er aus Gründen der Selbsterhaltung instinktiv zurückzog. Dass Sex für ihn zum Horror führen könnte, und das durfte er nicht riskieren. Seit dieser Erkenntnis war er vorsichtig gewesen. Er blieb– wie viele andere Jungen– jungfräulich, obwohl er sich nichts mehr wünschte, als seine Unschuld zu verlieren. Anders als viele andere Jungen hatte er jedoch schreckliche Angst davor.
Bei Connie bestand keine Gefahr, bei ihr war alles anders. Er konnte ohne Furcht mit ihr zusammen sein, weil bei ihr Billys Präsenz nicht über ihnen schwebte. Weil…
Er wusste, warum. Ihm war nicht wohl dabei, es zuzugeben, aber vielleicht lag es einfach an Connie selbst. Vielleicht hatte er widerstanden, sie zum Öffnen dieser Knöchel zu überreden, nicht weil er Angst vor
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