Ich soll nicht töten
Sex hatte, sondern aufgrund seines Verdachts, dass sie– auch wenn sie das Wort nie benutzte– ihn liebte und er den Gedanken nicht ertrug, sie zur Aufgabe ihrer Jungfräulichkeit zu überreden.
Oder, noch einfacher, vielleicht lag es daran, dass er sie liebte?
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sie nicht zu etwas überreden wollte, wozu sie nicht bereit war, wie sehr er es auch selbst wollte.
Er lachte in sich hinein. Zumindest in diesem Punkt war er normal– jeder nicht schwule Junge, der mit Connie kuschelte, würde unbedingt wollen, dass diese Jeans herunterkam.
» Was ist so komisch?«
» Nichts.«
» Sag es.«
Er wühlte in der Hütte herum und fand eine alte Rettungsdecke, die er wegen der bevorstehenden kühleren Witterung dort verstaut hatte. » Wirklich, es ist nichts.«
Sie ließ es gut sein, und nachdem sie sich in die Decke gewickelt hatten, sagte Connie: » Erzähl mir von der Frau.«
Jazz seufzte. » Sie hieß Irene Heller…« Er erzählte ihr alles, was er wusste– die Dinge, die G. William ihm im Haus der Frau erzählt hatte, und jene, auf die er durch Beobachtung allein gekommen war.
Sie verdrehte den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. » Du kannst dir keine Schuld geben. Woher hättest du das wissen sollen?«
» Ich hätte es besser machen können. Ich hätte es weiter einengen können. Ich hätte G. William überreden können, eine allgemeine Warnung an die Medien…«
» Dann unternimm etwas Sinnvolles. Hör auf zu jammern und löse die Sache. Und wenn du sie nicht lösen kannst, dann begreife, dass es nicht deine Schuld ist– niemand hat dich zum Obermufti von Lobo’s Nod bestimmt.«
Er ließ zu, dass sie ihn am Hals küsste. Ihre Lippen waren weich und voll. Er schloss die Augen, aber als er das tat, sah er nicht nur Irene Heller, sondern auch alle Opfer seines Vaters, und sie klagten ihn an: Warum hast du uns nicht gerettet, Jazz? Du wusstest, was dein Vater war. Warum hast du uns nicht gerettet?
» Denk logisch nach«, fuhr Connie nach einer Weile fort. » Wer könnte es sein? Fällt dir dazu etwas ein?«
Er dachte an die Kritzeleien in seinem Notizbuch. » Ein paar. Aber noch nimmt niemand richtig Gestalt für mich an. Und das große Problem…«, er zögerte kurz, » das, was mir wirklich Sorgen macht, ist, dass ich nur Leute in Erwägung ziehe, die ich kenne. Das ist zwar irgendwie logisch, aber es gibt ja schließlich keine Regel, die besagt, dass der Mörder jemand sein muss, den ich kenne oder schon einmal getroffen habe. Selbst in einer kleinen Stadt wie Lobo’s Nod gibt es eine Menge Leute, die ich nicht kenne. Und dann gibt es Durchreisende. Jeder könnte der Mörder sein.– Ich muss mich mehr anstrengen«, sagte er, und eine erschreckende Idee formierte sich bereits in seinem Kopf. Er versuchte, sie zurückzudrängen. » Ich muss ihn aufhalten.«
» Jazz.« Sie drehte sein Gesicht zu ihrem. » Hör auf damit. Es ist nicht deine Schuld. Du hast diese Frau nicht getötet. Du hast Ginny nicht getötet.«
» Ich hätte es ebenso gut tun können.«
» Das ist…«
» Nein, hör mir zu. Wenn ich es hätte beenden können, und ich habe es nicht getan, dann ist es so, als hätte ich sie selbst getötet, oder etwa nicht?«
» Aber du hättest es nicht beenden können. Du…«
Er starrte zur Decke. » Und wenn doch, Con? Wenn ich sie hätte retten können, indem ich noch etwas getan hätte, und ein Teil, der tief in mir verborgen liegt, ein Teil Billy in mir, hat es nicht getan? Was, wenn ich sie sterben ließ?«
Sie strich ihm beruhigend über den Arm, von der Schulter bis zum Handgelenk und wieder zurück. » So funktioniert das nicht. Du hast mir erzählt, dass es nicht darum geht, einfach wahllos irgendwelche Leute umzubringen. Serienmörder haben einen Typus, oder?«
Er zuckte zusammen. Das war genau die Richtung, in die er das Gespräch nicht gehen lassen wollte. Denn Tatsache war, dass Serienmörder wirklich im Allgemeinen einen bestimmten Opfertypus hatten, der den Zwang zu töten in ihnen auslöste. Billy war so verdammt schwer zu fangen gewesen, weil sein Opferprofil breit angelegt war– es deckte ein sehr großes Spektrum von Frauen ab, mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Nicht ein einziges seiner Opfer war afroamerikanisch gewesen.
Jazz sah Connie an, ihre glänzende Haut. Er konnte ihr nicht erzählen, dass er sich– was immer er jetzt für sie empfand– ursprünglich zu ihr hingezogen gefühlt hatte, weil sie eins der
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